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Die Uhr dreht sich zurück: Dänemark führt Grenzkontrollen ein

Foto: dapd/Uwe Tittel

Kopenhagen/Brüssel  - Nach zehn Jahren führt Dänemark wieder "permanente Grenzkontrollen" an den Grenzen ein. Künftig sollen Zöllner sowohl Einreisende als auch Ausreisende kontrollieren. Wie Finanzminister Claus Hjort Frederiksen am Mittwoch mitteilte, hat sich die Kopenhagener Minderheitsregierung mit der rechtspopulistischen DVP und einem parteilosen Abgeordneten darauf geeinigt.

Dänemark bleibt aber weiter Teil des Schengener Raumes, der eigentlich den freien Grenzübertritt zwischen beteiligten EU- und einigen anderen Ländern garantieren soll. Ziel der neuen Kontrollen durch Zöllner sei "die zunehmende grenzüberschreitende Kriminalität", sagte Frederiksen. Justizminister Lars Barfoed sagte, es gehe vornehmlich um Einreisende aus Osteuropa. 

EU: "Vertrag nicht zurückdrehen"

Die EU-Kommission will erst nach ausführlicher Unterrichtung durch die dänische Regierung zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen Stellung nehmen. "Wir möchten gerne ein offizielles Dokument sehen", sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. "Es muss klar sein, dass die Kommission jeglichen Versuch, den EU-Vertrag zurückzudrehen, weder akzeptieren kann noch akzeptieren will", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwochabend. Das gelte für den freien Transport von Waren ebenso wie für die Reisefreiheit von Menschen. Erst dann wolle sich die Kommission zur Frage äußern, ob sie die Kopenhagener Pläne für legal hält.

Dänemark verteidigt Kontrollen

Der dänische Integrationsminister Sören Pind sieht in den Kontrollen eine vernünftige Lösung, da es grenzüberschreitende kriminelle Aktivitäten gebe. Vor der Sitzung der EU-Innenminister in Brüssel sagte Pind, dass es nur Zoll-, aber keine Passkontrollen an den Grenzen geben soll, um Drogen- oder Waffenschmuggel aufzudecken. Der Schritt stehe völlig im Einklang mit dem Schengen-Abkommen, mit dem Grenzkontrollen fast überall in Europa abgeschafft wurden. "Wir wollen damit nicht die Grenzen zurückbringen."

In Deutschland wurde die geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen unter anderem von der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, SSW, und von Europaabgeordneten kritisiert. Vertreter der Wirtschaft im nördlichen Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel. Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sprach von "reinem Populismus" und "Scheinpolitik", Schulz sagte der deutschen Zeitung "Tagesspiegel": "Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lässt sich mit Sicherheit nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen."

Deutscher Innenminister für temporäre Kontrollen

Angesichts der tausenden Flüchtlinge aus Nordafrika hat der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seine Forderung nach erleichterten Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums bekräftigt. Unmittelbar vor dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel sagte Friedrich der Zeitung "Die Welt": "Es sollte künftig möglich sein, auf außergewöhnlichen Migrationsdruck flexibel reagieren zu können."

Laut Friedrich sollten "temporäre Grenzkontrollen der Lage angepasst und mit Augenmaß an den Schengen-Binnengrenzen möglich" sein. Dies würde letztlich auch zu einer Stärkung der Freizügigkeit in Europa führen.

Sichtbare Kontrolleinrichtungen geplant

Die Parteichefin der rechtspopulistischen DVP, Pia Kjærsgaard, sagte mit Blick auf die Sorge deutscher Nordsee-Urlauber auf dem Weg an die dänischen Küsten: "Die meisten werden mit einem freundlichen Lächeln durchgewunken." Die DVP hatte die Neuregelung vorgeschlagen und als Gegenleistung für das Ja zu einer Pensionsreform durchgesetzt.

Unter anderem sollen sichtbare neue Kontrolleinrichtungen und -gebäude an den wichtigsten Straßenübergängen wie Pattburg (dänisch: Padborg) installiert bzw. gebaut werden. Dasselbe ist für die Fährhäfen Rödby und Gedser nach Deutschland sowie Helsingör nach Schweden geplant. Mobile Teams sollen an kleineren Übergängen sowie in Zügen kontrollieren.

Dänemark hatte im März 2001 als Konsequenz aus dem Schengener Vertrag alle Grenzkontrollen nach Deutschland abgeschafft und die meisten Kontrolleinrichtungen abgebaut. Nach der Wiedereinführung sollen unter anderem durch automatisch arbeitende Scanner Autokennzeichen erfasst werden. Deutlich verstärken wollen die Skandinavier auch die verdeckte Fahndung im Grenz-Umland nach Drogen- und Waffeneinfuhren. (APA/dpa)