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Griechenland ist in der Bredouille, die Wirtschaft steckt in der Rezession fest, der Sparkurs ist den Märkten bei weitem nicht überzeugend genug.

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...und viele Griechen haben die Nase von den radikalen Sparmaßnahmen mittlerweile ziemlich voll.

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Wien - Die europäische Schuldenkrise lastet weiter schwer auf dem Euro. Gegen Mittag notierte der Euro bei 1,43725 Dollar. Die Gemeinschaftswährung sank gestern, Montag, zum ersten Mal seit Mitte April unter die Marke von 1,43 US-Dollar. Bereits vergangenen Freitag war der Euro auf unter 1,44 Dollar abgesackt.

Die Krise des finanziell hart angeschlagenen Griechenland spitzt sich indessen zu. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat am Montag die Bonität griechischer Anleihen erneut heruntergestuft. Diese werden jetzt mit "B" bewertet, sie gelten damit als hochspekulativ. Auch die Agenturen Moody's und Fitch prüfen angesichts der drohenden Umschuldung des Landes eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit: Mit der Note B oder B- hätten griechische Anleihen nur noch Ramschstatus. Investoren haben den Griechen indes eine Atempause gewährt. Bei der Emission eines Geldmarktpapiers mit Laufzeit von sechs Monaten verlangten sie am Dienstag kaum höhere Zinsen als im April.

Griechenland könnte ein zweites Hilfspaket bekommen. Das ist zumindest auf dem geheimen Krisentreffen vom vergangenen Freitag in Luxemburg, an dem unter anderen die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs teilnahmen besprochen worden. In Brüsseler Diplomatenkreisen werden keine Zahlen genannt, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker bestätigte aber Gespräche über neue Hilfen. 60 Milliarden könnten es laut der Nachrichtenagentur Dow Jones werden. 2010 hatte Athen einen Notkredit in Höhe von 110 Milliarden bekommen.

Griechen sind nicht pleite

Griechenland ist nach den Worten von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark allerdings nicht pleite. "Griechenland hat einen hohen Schuldenstand, aber Griechenland ist nicht insolvent", sagte Stark am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Das Land habe jahrelang eine falsche Wirtschaftspolitik betrieben. Das müsse jetzt korrigiert werden. "Das geht nicht ohne Probleme ab", so das Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB). "Man ist in einer Anpassungsrezession."

Eine Umschuldung löst Stark zufolge die Probleme des Landes nicht. "Wenn man über Umschuldung redet, muss man über die Konsequenzen reden: auf das Bankensystem, auf die Refinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB), die Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung." Er rechne damit, das die Hilfen für Griechenland letztendlich Erfolg haben werden. "Ich sehe dies nicht als ein Fass ohne Boden." Auch den Vorwurf von Kritikern, Griechenland spare sich angesichts der Auflagen für das Milliarden-Hilfsprogramm kaputt, wies Stark zurück.

Nowotny gegen Schuldenschnitt

Das sieht auch Österreichs Notenbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny so. auch er ist gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland. Eine solche Maßnahme "würde die Krise verschärfen", sie hätte sofort massive Rückwirkungen auf die Bankensysteme nicht nur Griechenlands, sagte der Notenbank-Gouverneur im Ö1-Morgenjournal. Ein solcher Schuldenschnitt werde auch von der EU und der EZB ausgeschlossen. Neue Kredite müsse es für das Land nicht geben, es könnte auch der Zeitraum für Rückzahlungen erstreckt werden.

Griechenland müsse ja im nächsten Jahr 25 bis 30 Mrd. Euro Rückzahlung leisten, erinnerte Nowotny, doch gebe es starke Hinweise, dass das vom Land nicht marktmäßig geleistet werden könne.

Die internationale Hilfe für Griechenland - das vor einem Jahr von Eurostaaten und IWF geschnürte 110-Mrd.-Euro-Paket - sei "richtig konzipiert", sagte das EZB-Ratsmitglied. Allerdings habe man "die Tiefe des Problems von Griechenland unterschätzt", etwa gewisse Strukturprobleme wie beispielsweise eine schlechte Steuereinhebung.

In Griechenland habe es lange Zeit Versäumnisse gegeben, das Land habe über seine Verhältnisse gelebt. Jetzt gehe es darum, einen Strukturprozess einzuleiten, um das wieder zu korrigieren.

Klare Botschaft und erster Schritt

Den ersten Schritt müsse jetzt einmal Griechenland selbst setzen. "Erst wenn man hier eine klare Sicht hat, dann muss man überlegen, ob eventuell noch zusätzliche Ergänzungen zum bestehenden Programm notwendig sind", so Nowotny. Das könne aber erst in den kommenden Wochen richtig beurteilt werden.

Die griechischen Stellen selbst müssten jetzt eine klare Botschaft geben, dass man wirklich bereit sei, dieses Programm durchzuführen, so Nowotny. Entscheidend sei eine dauerhafte Verbesserung "und nicht von einem Tag auf den anderen".

Das "improvisierte Treffen" von Vertretern einiger weniger Eurostaaten vom vorigen Freitag "halte ich für sehr unglücklich", sagte das EZB-Ratsmitglied, das habe nur "negative Effekte" gehabt. Kommende Woche wird sich die gesamte Eurogruppe des Themas annehmen, das sei auch die Gruppe, die dazu wirklich etwas entscheiden könne. Es sei nötig, wieder zu einer geordneten und seriösen Verhandlungsform zurückzukehren.

Schuldenerlass als letzte Möglichkeit

IHS-Chef Bernhard Felderer glaubt indes, dass es für die Griechen nicht ohne teilweisen Schuldenerlass gehen wird, obwohl dies "immer die letzte Möglichkeit" sein sollte. Besser wäre es, die Staatsschulden des Landes zu strecken ohne zu erlassen, "das geht aber hier glaub ich nicht", sagte der IHS-Chef in der "ZiB2". Für denkbar hält Felderer einen Ersatz griechischer Staatspapiere durch ein international gehandeltes Papier, das durch den europäischen Stabilitätsmechanismus garantiert wird, also etwa auch von Deutschland. Diese Papiere hätten dann eine geringere Verzinsung, "aber jeder wird froh sein, wenn er ein griechisches Papier dahin eintauschen kann". Dehne man das auf einen langen Zeitraum von 20, 30 Jahren aus, sei schon denkbar, dass Athen dies zurückzahlen könne.

Einen Austritt aus dem Euro und die Einführung einer neuen Währung würde weder Griechenland noch das europäische Bankensystem verkraften, gab der IHS-Chef zu verstehen. "Wenn die austreten, muss man bedenken, sie haben dann eine neue Währung - die sofort abgewertet würde." Die Schulden des Landes - in Euro - würden aber drastisch steigen: Sie würden sich verdoppeln, wenn die Währung auf die Hälfte abgewertet werde. Und die Banken in Europa wären angesichts ihrer großen Mengen griechischer Staatspapiere ebenfalls sofort betroffen, "der gesamte Bankenapparat würde kollabieren".

Auseinanderbrechen der Eurozone "unwahrscheinlich"

Ein "Auseinanderbrechen" der Eurozone hält der IHS-Chef für "sehr unwahrscheinlich". Der Euro sei doch sehr hoch bewertet, etwa gegenüber dem Dollar, die gemeinsame europäische Währung werde also "nicht gemieden". Man dürfe nicht vergessen, dass die Probleme nur einige kleine Länder beträfen, derzeit drei, eventuell komme irgendwann noch ein viertes hinzu. Portugal sei ähnlich wie Griechenland ebenfalls ein Problemfall, "aber weniger schlimm als Griechenland". "Nein, ich mach mir keine Sorgen um den Euro."

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) drängt die Griechen zu Reformen. Von einer Umschuldung hält sie gar nichts: "Das bringt überhaupt nichts, sonst gibt es keinen Druck für Reformen", erklärte sie vor dem Ministerrat. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hält von einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone "gar nichts". Und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) will keinen Zerfall der Eurozone. Sowohl er als auch Außenminister Michael Spindelegger verwiesen auf den Rat der Finanzminister nächste Woche. Dort müsse man sich ansehen, ob Griechenland die selbst auferlegten Vorgaben erfüllt.

Etwas ruppiger sind die Zurufe aus dem politisch rechten Spektrum. Geht es nach BZÖ-Obmann Josef Bucher "muss Griechenland die Euro-Zone verlassen und aus eigener Kraft einen Weg der finanziellen Gesundung antreten". "Taschlzieher" in Sachen Hellas ortet FPÖ-Obmann HC Strache: Die "Euro-Fanatiker wollen uns erneut Geld für Griechenland aus der Tasche ziehen", obwohl schon "all die Milliarden von Steuerzahlergeld, die dorthin gepumpt wurden, verloren" sind.

Griechen werden überdrüssig

Die Griechen selbst scheinen indes des harten Kurses teilweise ziemlich überdrüssig. Ein Drittel befürwortet einen Ausstieg des Landes aus dem milliardenschweren Kreditprogramm von IWF und EU. Wie eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage ergab, sprachen sich exakt 33,3 Prozent der Befragten dafür aus, das Rettungspaket aufzugeben, da es "zu nichts führt". In solch einem Fall würden die Befragten auch einen Staatsbankrott des Landes in Kauf nehmen. (rb, derStandard.at, 10.5.2011)