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Zehn Jahre nach der Katastrophe wird wieder ermittelt.

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Salzburg/Amberg- Über zehn Jahre nach der Seilbahnkatastrophe in Kaprun, bei der 155 Menschen ums Leben kamen, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Amberg. Auf "Schweren gewerbsmäßigen Leistungsbetrug mittels Kartellbildung" lautet die Anzeige, die von Opferanwalt Gerhard Podovsovnik eingebracht wurde.

Gegen neun bis zehn Österreicher, darunter auch Angehörige der Justiz, soll laut dem Wochenmagazin Focus die Staatsanwaltschaft Amberg ermitteln. "Es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet", bestätigt der leitende Oberstaatsanwalt Walter Leupold auf Standard-Anfrage den Bericht des Wochenmagazins.

Fünf Gerichtsgutachtern wirft der Wiener Anwalt Gerhard Podovsovnik Befangenheit vor. Ein Gutachter etwa habe Kontakte mit dem Verkehrsministerium unterhalten, ein anderer nicht bekannt gegeben, dass einer der Angeklagten fünf Jahre als Assistent für ihn gearbeitet habe. Darüber hinaus seien die Entschädigungszahlungen, die im Juni 2008 von der Vermittlungskommission auf 13,4 Millionen Euro für alle Opferangehörigen und Überlebenden festgesetzt wurden, nicht ausreichend, da es sich nicht um ein unvorhersehbares Unglück gehandelt habe.

Entschädigung oder Gerechtigkeit

Der Generali Versicherung wirft der Opferanwalt vor: Die veranschlagte Versicherungssumme entspreche nicht der tatsächlichen Summe; es sollen noch weitere Versicherungen in einer Gesamthöhe von 160 Millionen Euro bestanden haben. Die Ansprüche der Opfer seien zudem von der Vermittlungskommission unterschiedlich bewertet worden, wodurch einige Familien um ihre Ansprüche umgefallen seien, "nur weil sie keine Kraft mehr hatten sich zu melden", gibt Podovsovnik zu bedenken.

Der Opferanwalt vermutet, man habe sich in einem Kartell untereinander abgesprochen, um Einzel-Entschädigungen in Millionenhöhe zu vermeiden. Dabei gehe es nicht darum, eine möglichst hohe Entschädigung für die Angehörigen und Opfer zu erwirken, sondern um Gerechtigkeit, betont Podovsonik. "Die Opfer pfeifen auf jeden Cent."

"In Europa kein faires Verfahren möglich"

Die Strafanzeige wurde im März 2010 in Heilbronn eingebracht. Die Staatsanwaltschaft Heilbronn stellte das Verfahren wegen Verjährung ein. Nur der Vorwurf des Leistungsbetruges blieb übrig und wurde wegen der räumlichen Nähe zu einigen Opferangehörigen und Überlebenden nach Amberg übermittelt.

Podovsovnik selbst erwartet nicht, dass es in Amberg zu einer Anklage komme, er ortet auch in Bayern Verstrickungen in das Kartell. Wichtig sei nur den Beweis zu erbringen, dass "in Europa kein faires Verfahren möglich" sei, dann könne sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder ein amerikanisches Gericht damit befassen. (ruep, DER STANDARD, Printausgabe, 10.5.2011)