Das Ensemble mit Mitgliedern aus aller Welt tanzt, singt und wandelt durch sieben unterschiedliche Welten, durch Meere und Nebellandschaften: "Voilà" im Wiener Odeon.

Foto: Nick Albert

Wien - Ein metronomisches Ticken erfüllt die riesige klassizistische Säulenhalle im Odeon. Die elf Darsteller des Serapions Ensemble sitzen wie in eine Meditation versunken im hinteren Teil der Bühne. Ruhe kehrt ein in den mächtigen Theaterraum und überträgt sich umgehend auf das Publikum.

Vorsichtig erheben sich die Frauen und Männer in ihren dunklen, folkloristischen und dennoch mystisch-zeitlosen Gewändern (Kostüme: Ulrike Kaufmann). In einer unendlich scheinenden Himmelswelt (Malerei: Max Kaufmann) setzen sie präzise, aber zögernd einen Fuß vor den anderen. Im chorischen Gleichklang der Gruppe bewegen sie sich zunächst durch den Raum.

Zarte Gitarrenklänge durchbrechen die Stille. Der Erste tanzt aus der Reihe, fällt, scheitert. Einem inneren Impuls folgend, versucht nun jeder seinen Weg zu gehen, suchend nach - ja, nach was? Es geht das Gerücht um, der sagenumwobene Vogelkönig Simurg sei des Nachts glänzend über das Odeon in der Taborstraße geflogen und habe dabei eine Feder verloren. Niemand hat diese Feder gesehen, niemand ein Bild davon, aber das Ensemble fühlt sich aufgefordert, sie zu suchen.

Märchenlegenden

Neben der persischen Erzählung vom Vogelkönig bildet unter anderem ein Märchen aus Indien die literarische Vorlage zur Theaterkomposition Voilà . Es erzählt, dass die Menschen einst Götter waren, aber ihre Göttlichkeit missbrauchten und sie verloren.

In Zeiten, in denen das Individuelle, Auffallende gefordert und gleichzeitig das Unangepasste von der Gesellschaft verachtet wird, versucht das Serapions Ensemble unter der Leitung von Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits in seiner aktuellen Produktion den Menschen als Individuum zur Gemeinschaft zurückzuführen. Die Suche nach der Feder steht für die Suche der Menschen nach der Freiheit, nach dem Göttlichen, das letztendlich in ihnen selbst zu finden ist.

Das Ensemble mit Mitgliedern aus aller Welt tanzt, singt und wandelt durch sieben unterschiedliche Welten, durch Meere und Nebellandschaften und landet schließlich in einem Wald aus 130 fünf Meter hohen Bambusstäben, die, ständig in Bewegung, ein beeindruckendes Labyrinth bilden (Raumgestaltung: Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann).

Die Musik von Brian Eno über John Lennon, Leonard Bernstein bis hin zu Goran Bregoviæ verstärkt die poetischen Bilderwelten. Piplits und Kaufmann haben 2010 den Nestroy für ihr Lebenswerk erhalten. Schade, dass es für Voilà keine Subvention seiten des Bundes gab. Das Wiener Publikum war jedenfalls begeistert und zeigte mit Standing Ovations ihre Anerkennung.

Zum Schluss findet das Individuum zu sich selbst und wird so zum Gemeinschaftswesen. Nicht mehr zögernd, sondern geerdet, selbstbewusst und euphorisch findet es zu sich selbst und so in die Gemeinschaft, in die Welt zurück. Erhaben tanzen schließlich Götter unter Göttern. (Elisa Weingartner, DER STADARD/Printausgabe 10.5.2011)