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Landtag von Niederösterreich: Viel Spielraum bleibt den Abgeordneten nicht.

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Wien - Bundesstaatlichkeit bringt einen großen Vorteil für die Bürger: mehr Mitbestimmungs- und Wahlmöglichkeiten. Sagt die Theorie. Sagt auch der Verfassungsrechts-Professor Theo Öhlinger - aber vier Jahrzehnte in Forschung und Lehre haben ihn etwas anderes erfahren lassen: "Die Realität sieht anders aus. Es gibt kaum eine Institution, die so oft infrage gestellt und für unnötig gehalten wird wie die Landtage - vielleicht nur übertroffen von der Institution, die sie selber wählen, dem Bundesrat."

Tatsächlich wird zwar ein erheblicher Aufwand bei den Landtagswahlen getrieben - was aber die Landtage in den fünf bis sechs Jahren bis zur jeweils nächsten Wahl machen, erschließt sich meist nur Experten. Was etwa der Wiener Landtag - mit 100 Abgeordneten, die gleichzeitig Gemeinderäte der größten Stadt Österreichs sind - in den vergangenen zwölf Monaten so beschlossen hat? SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker nennt das Hausbesorgergesetz, das die schwarz-blaue Bundesregierung im Jahr 2000 gekippt hat und gegen dessen bundesgesetzliche Wiedereinführung sich die ÖVP weiterhin sperrt.

Und dann war da noch die erhöhte Mindestsicherung für Kinder, eine Aufforderung an die Bundesregierung, den Zuschuss für den Kindergartenausbau zu verlängern - sowie der Dauerbrenner Bauordnung. Das ist eine Materie, die die Länder zum Leidwesen der Wirtschaft um keinen Preis bundesweit vereinheitlichen wollen.

In Niederösterreich sieht es kaum anders aus: Dort ist die ÖVP die Mehrheitspartei, ihr Klubchef Klaus Schneeberger nennt ebenfalls die Gestaltung der Mindestsicherung, eine Verwaltungsvereinfachung in der Bauordnung und eine Änderung der Landtagswahlordnung als wichtigste Beschlüsse der vergangenen zwölf Monate.

13 Mal ist der Landtag in dem futuristischen Parlamentsgebäude an der Traisen in den letzten zwölf Monaten zusammengetreten - da brauchte es nicht noch eine zusätzliche Trauersitzung zum Gedenken an Alt-Landeshauptmann Andreas Maurer und eine Europakonferenz mit den Bundesräten, um die Niederösterreicher zu den statistisch fleißigsten Landesparlamentariern zu zählen. Die Salzburger etwa brachten es nur auf sieben Sitzungen, die Burgenländer, Oberösterreicher und die so föderalismusbedachten Vorarlberger kamen nur auf elf Sitzungstage.

Schwarze Landtags-Fans

Braucht man dafür wirklich einen Landtag in jedem Bundesland? DER STANDARD ließ das durch das Market-Institut erheben - wobei sich ergab, dass nur 53 Prozent der Österreicher die Landtage unbedingt behalten wollen, 37 Prozent meinen, dass man sie sich sparen könnte. Regional und nach Parteipräferenz gibt es jedoch erhebliche Unterschiede - ÖVP-Wähler erweisen sich beispielsweise als besonders große Anhänger der selten tagenden Landtage.

Allerdings betont praktisch jeder Parlamentarier, dass sich die Arbeit nicht in Plenarsitzungen erschöpft. Beispiel Salzburg: 17 Ausschusssitzungen und 13 Sitzungen des Olympia-Untersuchungsausschusses, der am 12. Dezember 2010 endete, wurden für das vergangene Jahr gezählt.

Solche Untersuchungsausschüsse gehören zum wichtigsten Instrumentarium, über das Landtage verfügen: Sie können damit eine gewisse Kontrolle über die Landesregierung ausüben, auch wenn das meist mit erheblicher Verzögerung und oft auch ohne die dem Aufwand entsprechende mediale Begleitung passiert. Die zweite Kernkompetenz betrifft das Landesbudget.

Einnahmenseitig ist man im Wesentlichen auf die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich angewiesen - und über den verhandelt nicht der Landtag, sondern der Landesfinanzreferent und letztlich der Landeshauptmann mit dem Bund. Der Verteilungsschlüssel ist kompliziert und in seinen Details nur wenigen Spitzenbeamten und den verhandelnden Politikern bekannt.

Bleibt neben der kaum ausgeschöpften (und vom Bund immer kritisch betrachteten) Möglichkeit, Landesabgaben einzuführen, das Schuldenmachen. Wegen der massiven Verschuldung des Landes von rund 2,2 Milliarden Euro ist man etwa in Kärnten gezwungen, landesweit weitreichende Sparmaßnahmen und Strukturreformen auf allen Ebenen der Verwaltung, der Personal-, Sozial- und Gesundheitspolitik zu setzen, die im restriktiven Budgetkurs ihren Niederschlag finden. Im Zuge der Verwaltungsreform wurden die 23 Abteilungen der Kärntner Landesregierung auf 10 gestrafft.

Novelliert wurden unter anderem das Kärntner Mindestsicherungsgesetz, das jetzt insgesamt weniger Geld für die Bezieher vorsieht, das Kärntner Familienförderungsgesetz und das Jugendwohlfahrts- und Jugendschutzgesetz.

Ähnlich läuft es in der Steiermark. Das Landesbudget beträgt aktuell exakt 5,116 Milliarden Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung wird mit 1711 Euro berechnet. SPÖ-Klubchef Walter Kröpfl: "Hätten wir jetzt nicht mit unserem Sparkurs gegengesteuert, kämen wir auf eine Pro-Kopf-Verschuldung von 2243 Euro." Für das Doppelbudget 2011/2012 gibt es drei große Schwerpunkte: sparen, sparen, sparen. Das Sparbudget, das trotz Einsparungen von 11,5 Prozent (bis 2012) eine Neuverschuldung von 806 Millionen Euro für die beiden Jahre mit sich bringt, hat in der Steiermark aber eine breite Protestwelle ausgelöst.

Dabei ist der Gestaltungsspielraum ohnehin nicht allzu groß: Fragt man die Klubchefs der jeweiligen Mehrheitsfraktionen in den Landtagen, so bekommt man sehr ähnliche Antworten, was die Schwerpunktsetzung in den Budgets betrifft: Für Soziales - sprich: für Leistungen, die die Landesbürger als solche spüren - werden am liebsten spezifische Budgetlösungen gesucht.

Wenn dies alle Länder mit ihren eigenen Akzenten tun, bleibt der Effekt unter dem Strich eher bescheiden - aber ein bisserl Lokalkolorit geht immer. (red, STANDARD-Printausgabe, 10.5.2011)