Barbara Kappel ist eine Vertraute des ehemaligen FP-Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn und war über viele Jahre seine engste Mitarbeiterin. In den Medien kursierten Gerüchte, dass der Milliardär wiederholt versucht hat, Kappel bei Wahlen in Stellung zu bringen und dafür anbot, FPÖ-Wahlkämpfe finanziell zu unterstüzen.

Von der FPÖ wird das bestritten. Seit 2010 hat Kappel ein Mandat im Wiener Landtag. Ein zentraler Punkt der FPÖ-Wirtschaftspolitik: Den Spitzensteuersatz senken.

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Barbara Kappels Mentor Thomas Prinzhorn und Ihrem Gatten Joachim Kappel wurde in der schwarz-blauen Regierung Freunderlwirtschaft vorgeworfen. Der damals blaue Finanzminister Karl-Heinz Grasser betraute die Firma ihres Gatten damit, das Personal für den Aufsichtsrat der staatlichen ÖIAG auszusuchen. Die Firma entschied sich für Manager aus Prinzhorns Umfeld, der damals FPÖ-Nationalratspräsident war.

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2002 zitierte das Magazin "Format" einen Rohbericht des Rechnungshofes, in dem angeprangert wurde, dass die "Vergütungen für die Aufsichtsräte seit der Neubestellung deutlich gestiegen" seien. Die Wahl des Personalberaters für die Neubesetzung des ÖIAG-Aufsichtsrates im Jahr 2000 hätte "mangels festgelegten Beurteilungskriterien nicht dem anzuwendenden Vergaberecht" entsprochen.

Zum Thema Freunderlwirtschaft sagt Barbara Kappel heute: "Es muss klare gesetzliche Regeln geben, damit so etwas nicht mehr passieren kann."

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Kappel peilte bereits 2006 einen Sitz im Nationalrat an, durfte aber nicht auf der FPÖ-Liste antreten, da sie - so die offizielle Begründung - damals kein Parteimitglied war. Im EU-Wahlkampf 2009 reihte sie die FPÖ auf den dritten Listenplatz, sie verpasste aber knapp den Einzug ins europäische Parlament. Bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 trat sie in Wien erfolglos mit der freiheitlichen Liste "Pro Mittelstand" an.

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Vor der Wiener Landtagswahl sprach FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache von den "Glorreichen Sieben" - von sieben Personen, die neben ihm öfter im medialen Rampenlicht stehen sollten. Strache zählte Kappel damals als einzige Frau zu dieser auserwählten Runde. Die Unternehmerin soll der Partei ihr weibliches Gesicht geben. Hier im Bild: Die Vorstellung der FPÖ-Liste für die Wiener Wahl 2010.

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Mit ihrem Ehemann Joachim Kappel leitet Barbara Kappel ein Beratungsunternehmen. Außerdem ist die die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin geschäftsführende Gesellschafterin des Dienstleistungsunternehmens Austrian Technologies GmbH  – Gesellschaft zur Förderung des Technologietransfers. Der Slogan ihres Unternehmens: "We think global, act global and go global". Laut Kappel hat die Firma zwei Beteiligungen in Russland.

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Kappel betont die Wichtigkeit, Fremdsprachen zu lernen. Eine Türkisch-Matura will die FPÖ-Wirtschaftsexpertin aber nicht, auch wenn die Türkei ein wirtschaftlich aufstrebendes Land ist. Sie sagt: "Tun wir nicht so, als ob Türkisch die vorrangige Sprache wäre."

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Wien, Am Heumarkt 12, oberster Stock. Barbara Kappel schreitet durch das lichtdurchflutete Großraumbüro und begrüßt ihre Gäste. Als "weiblicher Grasser" wurde die FPÖ-Politikerin schon bezeichnet, als eine, die bereit sei, "um jeden Preis Karriere zu machen". Selbst sieht sie sich eher als Idealistin: "Dass so viele alleinerziehende Mütter aber auch alleinstehende ältere Frauen arm oder armutsgefährdet sind, ist mit ein Grund, warum ich mich überhaupt politisch engagiere." Geht es nach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, soll Barbara Kappel das neue weibliche Gesicht der FPÖ werden. Barbara Rosenkranz war gestern.

Im Wiener Wahlkampf 2010 schickte Strache die Karrierefrau als Angebot an Wirtschaftstreibende ins Rennen. Ihre Forderungen: Flat Tax, Körperschaftssteuer und Einkommenssteuer senken, weg mit der Alkoholsteuer. Kappel – eleganter Goldschmuck, beiges Kleid mit weißen Punkten, High-Heels – war lange die rechte Hand des Milliarden schweren Unternehmers und FPÖ-Politikers Thomas Prinzhorn. Jetzt führt sie ihre Gäste durch ihr eigenes Unternehmen, Austrian Technologies. Sie setzt sich an den Kopf des langen Tisches im Besprechungszimmer, legt ihre rechte Hand auf ihre linke und verharrt in dieser Position. Dass sie bei den Themen "Freunderlwirtschaft", "türkische Matura" und "Thomas Prinzhorn" emotional und angriffig wird, merkt man deshalb nicht an ihrer Gestik, sondern nur an ihrer Stimme.

derStandard.at: Der Fall Strasser erschütterte die Politik. Wie stehen Sie zu Lobbyismus und Freunderlwirtschaft?

Kappel: Es muss klare gesetzliche Regeln geben, damit so etwas nicht mehr passieren kann.

derStandard.at: Wie sollen diese Regeln aussehen?

Kappel: Als Abgeordneter, egal auf welcher Ebene, soll man transparent offenlegen, in welchen Funktionen man tätig ist und welche Gelder man einnimmt. Verstärkt sollen auch Unvereinbarkeitsregelungen eingeführt werden.

derStandard.at: Wie glaubwürdig sind Sie, wenn Sie gegen Freunderlwirtschaft auftreten? Schließlich gab es auch in Ihrem engsten Umfeld den Vorwurf von Freunderlwirtschaft.

Kappel: In meinem engsten Umfeld? Sie erstaunen mich.

derStandard.at: Ihr Ehemann Joachim Kappel gilt als enger Freund von Thomas Prinzhorn, dem FPÖ-Spitzenkandidaten von 1999 und Nationalratspräsidenten in der schwarz-blauen Regierung. Nach der Wende bekam Ihr Gatte als Managementberater den Auftrag, das Personal für den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG auszusuchen. Prinzhorns Freund – Ihr Gatte – durfte also Personal für die Beteiligungs- und Privatisierungsagentur der Republik Österreich auswählen.

Kappel: Mein Ehemann ist überhaupt kein enger Freund des Thomas Prinzhorn. Ich habe für Prinzhorn jahrelang gearbeitet und viel von ihm gelernt. Thomas Prinzhorn war ein Vorbild in der österreichischen Innenpolitik. Er ist ein absolut ehrlicher, loyaler und integrer Mann.

derStandard.at: Wie erklären Sie sich dann, dass Ihr Ehemann vor allem Personen aus Prinzhorns Unternehmen für die staatliche ÖIAG rekrutiert hat?

Kappel: Mein Mann war zu dieser Zeit Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens "Egon Zehnder", eines der Top-Weltmarktunternehmen im Bereich Personalberatung. Dieses Unternehmen hat vom Finanzministerium seinerzeit den Zuschlag für die Auswahl der ÖIAG-Aufsichtsräte bekommen. Die Auswahl der ÖIAG-Aufsichtsräte hat nicht Thomas Prinzhorn getroffen, sondern das Finanzministerium.

derStandard.at: Der verantwortliche Finanzminister hieß damals Karl-Heinz Grasser. Laut APA waren Sie Grassers Pressesprecherin.

Kappel: Ich habe an dem Tag, als mein Mann den Zuschlag bekam, die Funktion im Kabinett zurückgelegt, damit kein Interessenskonflikt entsteht.

derStandard.at: Diese Verflechtungen zwischen den Aufsichtsräten in der Staatsholding ÖIAG und Prinzhorns Unternehmen sind jedoch ein Fakt. War das damals reiner Zufall?

Kappel: Die österreichische Wirtschaftslandschaft ist überschaubar. Es gibt eine Hand voll erfolgreicher Unternehmer, die man kennt. Unabhängige, erfolgreiche Menschen, die ihre Expertise in die ÖIAG einbringen könnten, wurden zu dieser Zeit gesucht.

derStandard.at: Hätte diese Angelegenheit damals transparent gemacht werden sollen?

Kappel: Das wurde transparent gemacht.

derStandard.at: Stimmt, im Sinne der Kritik an den Vorgängen.

Kappel: Kritik gibt es immer, wenn Veränderungen da sind. Faktum ist, dass damals sehr professionell vorgegangen wurde und es nichts Unstatthaftes gab.

derStandard.at: Der Personenkreis wurde damals "Friends of Prinzhorn" genannt. Den hat's also nie gegeben?

Kappel: Nein, das ist eine Erfindung der Medien. Mein Mann ist auch nie ein Freund des Herrn Prinzhorn gewesen.

derStandard.at: Aber er ist doch Ihr Trauzeuge?

Kappel: Meiner. Aber nicht der meines Mannes.

derStandard.at: Prinzhorn ist Ihr Trauzeuge, aber er ist kein Freund Ihres Mannes. Die Medienberichte, die den beiden eine Freundschaft nachsagen, stimmen also nicht.

Kappel: Nein. Mein Mann und Thomas Prinzhorn sind auf "Sie". Sie haben ein korrektes Verhältnis miteinander.

derStandard.at: "Langjähriger Freund" stimmt also definitiv nicht.

Kappel: Nein.

derStandard.at: Thomas Prinzhorn ist ein Milliarden schwerer Unternehmer und Sie gelten als eine seiner engsten Vertrauten. Angeblich soll er immer wieder versucht haben, Sie als FPÖ-Kandidatin in Stellung zu bringen und der FPÖ im Wahlkampf finanziell zu helfen, wenn Sie ein Mandat bekommen. Nach drei Anläufen haben Sie in der FPÖ ein Mandat als Wiener Gemeinderätin bekommen. Wieviel hat Prinzhorn dafür gezahlt?

Kappel: Gar nichts.

derStandard.at: Sie wollen den Spitzensteuersatz senken, und begründen das damit, dass der Mittelstand entlastet wird. Geht es nach der FPÖ, die sich als Anwalt des „kleinen Mannes" sieht und sich als „soziale Heimatpartei" bezeichnet: Wie viel Steuern sollen reiche Menschen wie Ihr Trauzeuge, der Milliardär Thomas Prinzhorn, nach der Senkung des Spitzensteuersatzes zahlen?

Kappel: Thomas Prinzhorn zahlt den Spitzensteuersatz von 50 Prozent.

derStandard.at: Aber wieviel soll er in Zukunft zahlen?

Kappel: Man muss das Steuersystem vereinfachen – hin zu einer Simple Tax und Flat Tax. Da arbeiten wir an Konzepten. Thomas Prinzhorn wird auch in einem neuen System nicht wesentlich runterkommen. Wenn wir sagen, wir wollen die Bemessungsgrundlage von 60.000 auf 80.000 Euro pro Jahr erhöhen, dann wird er immer noch 50 Prozent zahlen.

derStandard.at: Das heißt, für Ihren Trauzeugen Prinzhorn wird sich nichts ändern. Er soll also nicht mehr zahlen.

Kappel: Ich bin nicht für die Finanzgebarung des Herrn Prinzhorn zuständig. Vielmehr müssen wir schauen, dass es den vielen Österreichern, die jetzt 50 Prozent Steuern zahlen, besser geht – der Mittelstand soll entlastet werden. Österreichs Nachbarländer -Tschechien, Slowakei und Ungarn etwa – haben wesentliche Reduktionen im Steuersatz vorgenommen. Unser Standort muss wettbewerbsfähig sein. Das Unsozialste wäre, nicht wettbewerbsfähig zu sein, hohe Steuern zu verlangen und Schulden zu machen und die die nächsten Generationen mit der hohen Zinslast zurückzulassen.

derStandard.at: Wenn der Spitzensteuersatz gesenkt wird, wird auch der Milliardär Thomas Prinzhorn entlastet.

Kappel: Wir wollen den Mittelstand entlasten. Auch wenn die Jahresbemessungsgrundlage auf 80.000 Euro erhöht wird, wird das den Herrn Prinzhorn nicht treffen.

derStandard.at: Was verstehen Sie unter "Mittelstand"?

Kappel: Mittelstand sind in Österreich 98 Prozent der Unternehmen, von Ein-Personen-Betrieben bis 250-Personen-Betrieben. Und Menschen, die im Wirtschaftsleben stehen und Einkommensbezieher sind. Ich zähle zum Mittelstand auch jene, die die 60.000 Euro Einkommensgrenze im Jahr für den Höchststeuersatz erreichen. Und für diesen Mittelstand fordern wir, dass die Körperschaftssteuer sowie die Einkommenssteuer auf eine Flat Rate von 25 Prozent gesenkt werden.

derStandard.at: Zählen Sie sich selbst auch zum Mittelstand?

Kappel: Ja.

derStandard.at: Sind Sie dafür, das Vermögen stärker zu besteuern?

Kappel: Nein. Ich bin nicht dafür. Wir glauben nicht, dass hier wesentliche Mehreinnahmen erzielbar sind. Die SPÖ war die Partei, die die Vermögenssteuer abgeschafft hat. Aus einem guten Grund: Die Steuererhebungsaufwendungen waren höher als die Einnahmen aus der Steuer. Damit gewinnt man nichts. Sie können den Menschen nur helfen, indem Sie das Land wettbewerbsfähig machen. Eine höhere Wettbewerbsfähigkeit hilft allen. Dann wird es Arbeitsplätze geben und Beschäftigung für die Menschen. Dann können die Leute Geld verdienen. Alles andere ist unsozial und auch kein Widerspruch zur sozialen Heimatpartei. Im Gegenteil: Ich halte das für äußerst sozial. Und Thomas Prinzhorn hat für das Land viel getan. Seine Unternehmensgruppe beschäftigt rund 4000 Mitarbeiter.

derStandard.at: Wir streiten nicht ab, dass er viele Menschen beschäftigt.

Kappel: Aber? Was ist Ihr Problem mit Thomas Prinzhorn?

derStandard.at: Wir fragen nur, wie sich die Senkung des Spitzensteuersatzes auf Reiche auswirken wird, die die Partei des „kleinen Mannes" fordert. Und das kann man an Thomas Prinzhorn festmachen.

Kappel: Was ist für Sie ein reicher Mensch?

derStandard.at: Ein Milliardär ist für mich ein reicher Mensch. Aber es geht nicht um unseren Standpunkt, sondern wir sind hier, um Ihren Standpunkt herauszufinden.

Kappel: Aber ich möchte Sie ja auch gerne verstehen.

derStandard.at: Ein Milliardär ist für uns ein reicher Mensch.

Kappel: Mhm. Ok.

derStandard.at: Die SPÖ hat die Idee, das Geld von den Reichen zu nehmen und umzuverteilen. Halten Sie das für zielführend?

Kappel: Nein. Das ist billiger Klassenkampf. Unser gutes Wahlergebnis in Wien zeigt, dass das die Bürger auch nicht mehr glauben. Wir glauben, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden muss, weil das sozial ist. Die Menschen brauchen Arbeit. Das Thema "Arbeitsplatz" beschäftigt die Menschen am meisten, das zeigen alle Umfragen. Und wer schafft Arbeitsplätze? Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Also müssen wir für die Unternehmen da sein und sie fördern, damit es mehr Beschäftigung gibt.

derStandard.at: Also unterschreibt die FPÖ auch den Spruch: "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut."

Kappel: Ja, genau.

derStandard.at: Sie waren die Pressesprecherin von Karl-Heinz Grasser, der in der FPÖ in Ungnade gefallen ist. Wie stehen Sie heute zum damaligen Finanzminister?

Kappel: Karl-Heinz Grasser hat der Politik einen schlechten Dienst erwiesen und ich war an diesem einzigen Tag im Finanzministerium auch nicht seine Pressesprecherin, sondern für Koordination vorgesehen. Was da nun alles an Anschuldigungen vorliegt und von den Gerichten geprüft wird, das wirft ein sehr schlechtes Licht auf die Politik – ob das Freunderlwirtschaft ist oder diese ganzen Transaktionen, die es gab. Ich finde das bedauerlich. Was wir heute wissen, ist seine Performance sicherlich als mies zu beurteilen.

derStandard.at: Ich zitiere aus einem Porträt über Sie: "Ein Insider beschreibt sie als 'weiblichen Grasser' : 'Ideologiefrei und bereit, um jeden Preis Karriere zu machen.'" Was ist Ihre Ideologie, Ihre Verankerung in der Partei?

Kappel: Der Parteiobmann traut mir im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik einiges zu. Ich verstehe das als Arbeitsauftrag und bin bemüht, gute Konzepte auszuarbeiten und dafür internationale Experten heranzuziehen. Wir wollen Benchmarks setzen und den Menschen das Vertrauen in die Politik und in die Wirtschaftspolitik ihres Heimatlandes zurückgeben.

derStandard.at: Das ist noch keine Ideologie. Sind Sie ideologiefrei?

Kappel: Welcher Mensch ist ideologiefrei? Ich bin ein politisch denkender Mensch, sonst könnte ich nicht als Politikerin tätig sein. Ich trage den Gedanken der sozialen Heimatpartei selbstverständlich mit und versuche, das in meinem Bereich, in die Wirtschafts- und Finanzpolitik, zu transferieren.

derStandard.at: Können Sie sich vorstellen, für die ÖVP zu kandidieren?

Kappel: Nein. Weil die FPÖ die besseren Konzepte und die besseren Persönlichkeiten hat.

derStandard.at: Finanzministerin Fekter gibt bei der Steuerpolitik die Parole vor: "weniger, einfacher, leistungsgerechter." Wo liegen da die großen Unterschiede zwischen ÖVP und FPÖ?

Kappel: Die ÖVP ist eine Partei, die in erster Linie die Interessen von Systemerhaltern in Österreich vertritt. Das sind wir nicht. Die FPÖ ist eine Partei, die die Interessen der Leistungsträger vertritt. Und ich sehe mich selber als Leistungsträgerin, die für die Leistungsträger da ist.

derStandard.at: "Leistungsträger vertreten" erinnert stark an ÖVP-Rhetorik. Wo sind die Unterschiede? Sind Sie zum Beispiel nur für österreichische Unternehmer da?

Kappel: Nein, wir sind für alle Unternehmen da, die in Österreich tätig sind und Arbeitsplätze schaffen. Auch für internationale Headquarters. Wien ist ein guter Raum für Headquarters.

derStandard.at: Stichwort internationale Unternehmen: Die Türkei ist ein wirtschaftlich aufstrebendes Land, an dessen Erfolg Österreich mitnaschen kann. Sie haben selbst einmal mehr Fremdsprachen in Schulen gefordert – demnach gehe ich davon aus, dass Sie Sprachkompetenz als wirtschaftlichen Vorteil einschätzen...

Kappel: Ja, das tue ich.

derStandard.at: Im Sinne des wirtschaftlichen Aufschwungs der Türkei. Wären Sie auch für eine Türkisch-Matura?

Kappel: Nicht für eine verpflichtende Türkisch-Matura. Wenn jemand Türkisch lernen will, kann er das jederzeit tun. Sie können alle Sprachen an Österreichs Schulen lernen, auch Türkisch. Aber ich bin gegen die Etablierung von Parallelgesellschaften. Denn die bringen unser Solidarsystem aus dem Ruder – das sehen wir in den USA, wo es mehrere Parallelgesellschaften gibt. Dort funktioniert das Sozialsystem nicht.

derStandard.at: Sie sagen "keine verpflichtende Türkisch-Matura." Könnte es eine optionale, freiwillige Türkisch-Matura geben?

Kappel: Nein. Unsere Landessprache ist Deutsch. Es ist in Deutsch zu maturieren. Es gibt englische Schulen hier, die haben englische Matura – das ist wunderbar. Aber ansonsten ist unsere Landessprache Deutsch.

derStandard.at: Es geht nicht darum, die komplette Matura auf Türkisch abzulegen, sondern um Türkisch als Maturafach. Sprachen wie Französisch oder Italienisch sind ja auch Maturafächer. Soll es in bestimmten Schulen das Angebot geben, im Fach Türkisch zu maturieren?

Kappel: Wir sind eine Partei, die sich dafür einsetzt, dass Kinder, die in die Schule kommen, Deutsch lernen. Das ist eine langjährige Forderung der FPÖ. Es gibt Schulabgänger, die keinen Brief in deutscher Sprache richtig schreiben können. Die Wahrheit ist aber, dass Sie gut sein müssen in Deutsch, um in andere Sprachen zu gehen. Ich spreche auch mehrere Fremdsprachen, lerne seit vier Jahren Russisch und forciere das bei meinen Kindern. Das ist ganz wichtig. Aber tun wir nicht so, als ob Türkisch die vorrangige Sprache wäre.

derStandard.at: Verzeihen Sie, ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt: Ich spreche nicht von Schülern, die kein Deutsch können, sondern von Schülern, die fließend Deutsch sprechen und aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs der Türkei Türkisch lernen wollen. Soll es Türkisch als Maturafach geben?

Kappel: Es ist in unserem Schulsystem nicht vorgesehen. Es ist jetzt nicht vorgesehen.

derStandard.at: Die FPÖ kämpfte vehement gegen die Ostöffnung. Sie machen selbst Geschäfte im Osten.

Kappel: Die FPÖ ist eine pragmatische Partei am Boden der Realität und wir leben in einem Wirtschaftsmarkt mit Osteuropa. Wir wollen aber nicht, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit stattfindet, solange das hohe Lohngefälle besteht. Viele Unternehmen arbeiten europaweit und österreichische Unternehmen sind große Investoren in Zentral- und Osteuropa. Das ist ein Faktum.

derStandard.at: Gegen Ostöffnung sein und selbst im Osten Geschäfte machen ist also für Sie kein Widerspruch?

Kappel: Nein, gar nicht. Weil Auslandsinvestitionen auch in Österreich wieder Beschäftigung schaffen können. Hier sind wir wieder bei der Wettbewerbsfähigkeit.

derStandard.at: Die FPÖ-Wirtschaftsplattform "Pro Mittelstand" fährt aktuell zwei Kampagnen. Die eine heißt "Pro freies Rauchen" , die andere "Alkoholsteuer nein Danke". Sind das die drängendsten Probleme der FPÖ?

Kappel: Das sind anlassbezogene Kampagnen. Es war angedacht, in Wien die Alkoholsteuer zu erhöhen, was wir dezidiert ablehnen, weil wir keine neuen Steuern wollen. Ganz im Gegenteil: Wir wollen Bagatellsteuern und die Wiener Gebrauchsabgaben – wie beispielsweise die Schanigartenabgabe oder die Luftabgabe – abschaffen. Die Gastronomiebetreibe wurden mit dem neuen Rauchergesetz schon genug belastet. Für sie soll es keine neuen Belastungen geben.

derStandard.at: Die Raucherkampagne ist nicht neu, sie wurde im Vorjahr lanciert und läuft immer noch. Ist der Stimmenfang mit Themen wie Alkohol und Rauchen nicht populistische Wirtschaftspolitik?

Kappel: Unsere Wirtschaftspolitik ist überhaupt nicht populistisch, sondern pragmatisch.

derStandard.at: Wie stehen Sie zur privaten Pensionsvorsorge?

Kappel: Wir sind sehr dafür, dass der Bereich der privaten Pensionsvorsorge gefördert und unterstützt wird. Das funktioniert im Moment überhaupt nicht.

derStandard.at: Eine private Pensionsvorsorge kann sich aber nicht jeder leisten.

Kappel: Aber man kann jeden in die Position bringen, dass er sich seine Pensionsversicherung selbst aussuchen kann. Dann kann er wählen. Wir müssen hier mehr an die Eigenverantwortung der Bürger appellieren.

derStandard.at: Wie soll etwa eine alleinerziehende Supermarktkassiererin pro Monat 100 Euro für ihre private Pensionsvorsorge aufbringen können?

Kappel: Dass so viele alleinerziehende Mütter aber auch alleinstehende ältere Frauen arm oder armutsgefährdet sind, ist mit ein Grund, warum ich mich überhaupt politisch engagiere. Ich kann nicht verstehen, dass ihn einem so reichen Land wie Österreich weit mehr als 500.000 Frauen armutsgefährdet sind. Das ist ein unhaltbarer Zustand und ich glaube, dass man für solche Frauen ein besseres und sichereres Transfersystem gewährleisten muss.

derStandard.at: Wollen Sie Pensionen kürzen?

Kappel: Nein, man muss das Pensionssystem harmonisieren und Pensionsprivilegien in ÖBB und Nationalbank abbauen. Auch die Hacklerregelung muss nachjustiert werden. Sie war gedacht als Schwerarbeiterpension, tatsächlich nehmen viele Beamte diese in Anspruch. Grundsätzlich soll das Pensionssystem flexibler gestaltet werden, etwa nach Schweizer Vorbild. Wenn jemand mit 55 in Pension gehen möchte, soll er das tun und dafür Abschläge in Kauf nehmen. Wenn jemand bis 75 arbeitet, soll er Zuschläge bekommen.

derStandard.at: Sie wollen Steuern senken aber keine neuen Schulden machen. Wie soll sich das ausgehen?

Kappel: Wir brauchen eine umfassende Strukturreform in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und bei den Pensionen. Außerdem brauchen wir eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, wie dies in Deutschland und der Schweiz der Fall ist.

derStandard.at: Die neue Finanzministerin hat ihre Steuerpolitik wie bereits erwähnt mit drei Punkten umrissen: "Weniger, einfacher und leistungsgerechter". Womit hält die FPÖ dagegen?

Kappel: Unser Kernsatz ist, dass der Haushalt in Ordnung gebracht werden muss, um eine solide Finanzpolitik zu gewährleisten. Die Finanzministerin hat sich eindeutig positioniert, keine Strukturreformen vornehmen zu wollen. Das ist aus meiner Sicht ein grober Fehler. Wir verlangen ein Fünfjahresprogramm mit umfassenden Strukturreformen im Verwaltungs-, Gesundheits- und öffentlichen Bereich. Damit wollen wir Einsparungen von fünf Milliarden Euro pro Jahr erzielen, um damit die Hälfte der Zinsen für die Staatsschulden zu reduzieren, denn Schulden und die daraus resultierende Zinslast sind das Unsozialste, was man den nächsten Generationen mitgeben kann. Ebenso wollen wir die Steuer- und Abgabenquote sowie die Lohnnebenkosten senken, mit dem Ziel, einen wettbewerbsfähigen Standort zu schaffen.

derStandard.at: Mit Maria Fekter sitzt erstmals eine Frau im Chefsessel des Finanzministeriums. In den Spitzengremien der FPÖ sind hingegen nur wenige Frauen vertreten. Von 37 blauen Mandataren sind 30 Männer. Warum sind so wenige Frauen an der Spitze?

Kappel: Die FPÖ ist eine Partei, die Quoten immer abgelehnt hat. Andere Parteien gehen sehr stark nach Quote, wir nach Bereitschaft zur Mitarbeit und Leistung. Offenbar sind die Persönlichkeiten, die ausgewählt wurden, die Leistungsfähigsten.

derStandard.at: Sie haben also weniger leistungsfähige Frauen in der Partei. Sind Sie eine der wenigen aufstrebenden Frauen in der Partei?

Kappel: Das ist Unsinn! Vielleicht wollen einfach weniger Frauen in die Politik als uns die Quote der anderen Parteien glauben macht. Ich habe selbst zwei Kinder und weiß, wie hart es ist, Familie, Beruf und Politik zu vereinbaren. Ich bin übrigens auch nicht in einem Spitzengremium vertreten, sondern Gemeinderätin in Wien. Aber es ist keine Frage: Ich würde mich freuen, wenn mehr Frauen in wichtigen Positionen in der Politik wären. Das wird sich mit der Zeit einspielen, lässt sich aber nicht erzwingen. (Katrin Burgstaller, Benedikt Narodoslawsky, 11. Mai 2011)