-> derStandard.at/Reisen auf facebook .
In dieser Galerie: 27 Bilder
Es hilft ungemein, ein Autonarr zu sein, wenn man im Fiat 500 aus den
frühen 1960er-Jahren Platz nimmt. Es riecht nach Benzin, es ist eng, und
der damals "Nuovo 500" genannte Wagen hat weder Heizung noch
Klimaanlage oder Radio.
Dafür hat er neben der Handbremse zwei weitere
kleine Hebel. Mit dem einen legt man eine Klappe um, die dafür sorgt,
dass beim Kaltstart des Motors nicht zu viel Luft in den Vergaser kommt.
Choke-Hebel waren bis zu den Einspritzmotoren ganz normal - aber junge
Leute kennen das heute kaum noch. Die verstehen dann den anderen Hebel
noch weniger, mit dem man den Zündzeitpunkt verstellt.
Obwohl einem die Elektronik nicht beim Starten hilft, springt der kleine
Fiat sofort an. Unrund und blechern klingend, rennt der nicht einmal 15
PS starke 500 Kubikzentimeter Motor im Heck des Fiat an. Es beginnt
noch stärker nach Benzin zu riechen. Der Wagen vibriert im Takt des
Motors und die Nervosität steigt – vor allem beim Besitzer des Wagens.
Denn der Fiat 500 hat noch kein synchronisiertes Getriebe.
Das heißt, wer nicht brav mit Zwischengas schaltet, ruiniert die
Schaltung. Und die Bremsen entsprechen nicht ganz dem, was wir heute
gewohnt sind. Auch wenn der Fiat mit entsprechendem Anlauf, Gefälle und
Rückenwind laut Tachometer einen satten 100er läuft, um in diese
Geschwindigkeitssphären vorzudringen, braucht er gefühlte Kilometer.
Und von den sechs 500ern, mit denen wir in der Früh aufbrechen, um die
Emilia Romagna zu erkunden, werden am späten Nachmittag auch nur mehr
drei wieder am Ausgangspunkt eintreffen. Die andere Hälfte bleibt
unterwegs liegen.
Mit den knuffigen Cinquecentos fahren wir von Castelvecchio aus dorthin,
wo wir mit den Fiats eigentlich nichts verloren haben, nach Sant‘ Agata
Bolognese. Autonarren wissen sofort, was wir dort finden: die
Automobili Lamborghini Holding S.p.A.
Wir zuckeln an zwei Gallardos vorbei, die vor der Fabrik stehen, und
stellen uns auf den Kunden- und Mitarbeiterparkplatz, reihen uns
zwischen Supersportwagen und italienischen Alltagsautos ein – den Blick
aber streng auf die edlen Gallardos gerichtet.
Kaum bei der Tür des
Lamborghini Museums drinnen, läuft uns ein Mann über den Weg, vor dem
sich autobegeisterte Damen in den Dreck werfen würden, um seine
Designerschuhe zu schützen. Er ist wie immer bestgekleidet. Der
Designeranzug wirft nicht eine Falte. Lamborghini-Chef Stephan
Winkelmann, grüßt freundlich, eilt an uns vorbei, bremst sich vor einer
Fernseh-Kamera ein und gibt dort ein Interview.
Hinter ihm, nur durch die Wand des Museums getrennt, laufen gerade
Gallardos und die ersten Modelle des Aventadór vom Band. Der neueste
Stier aus Sant‘ Agata bringt es auf 700 PS, die er aus einem 12
Zylinder-Motor holt. Allein um diesen zusammenzubauen, brauchen die
Mitarbeiter 19 Stunden.
"Ein Lamborghini ist viel Handarbeit", erzählt
Signore Filipani, der uns durch die Fertigungshalle führt. "850
Mitarbeiter produzieren 2000 Autos im Jahr", und mit welcher
Leidenschaft sie das machen, liegt in der Luft. "Mein größter Wunsch
ist, selbst einmal einen Lamborghini zu besitzen", erzählt einer der
jungen Männer, während er gerade die Karosserie eines Aventadór abdeckt,
damit dem Lack bei den weiteren Produktionsschritten nichts passiert.
Als wir geraume Zeit später wieder aus der Fabrik kommen, wurden aus den
zwei Gallardos sechs, und wir tauschen für eine Testfahrt den 14
PS-Fiat gegen den 470 PS starken Gallardo. Und ob Sie es nun glauben
oder nicht: Mit dem 500er-Fiat konnten alle gleich losfahren – mit dem
Gallardo hat es bei manchen Minuten gedauert, bis der Wagen ins Rollen
kam.
Dass wir nicht selbst ins Rollen kommen, ist unsere Sorge, nach einem
Zwischenstopp im Buriani, in Pieve di Cento. Fernfahrer nahmen es als
willkommene Raststation in ihre Routen auf und machten es so im ganzen
Land bekannt. Seit 1990 führt Alessandra Buriani das Lokal. Fernfahrer
sehen wir keine, genießen aber einen Prosecco „Blanc de Blanc", der
viele andere hochwertige Schaumweine ganz schön fad schmecken lässt. Die
Tagliatelle sind genau am Punkt und ähnlich bissfest wie die
Trüffelscheiben, welche die frischen Nudeln garnieren.
Wie man diese selbst macht, zeigt uns Maria, die Pasta-Meisterin der
Cantina Bentivoglio in Bologna. "Pro Person nimmst du 100 Gramm Mehl vom
Typ 00 und ein Ei", fasst sie die Zutaten zusammen. Mit einer
Leichtigkeit formt sie daraus einen Teig, dass man meinen könnte, das
Essen selber sei eine kompliziertere Aufgabe. Minuten später liegen
handgemachte Farfalle neben Tagliolini, Tortelloni und Rigate neben
Cappelletti, Tortellini und Capellini neben Maltagliati. Doch so leicht,
wie es aussieht, ist es gar nicht.
Selbst gute frische Pasta zu machen, bedarf einer gehörigen
Frustrationsresistenz und dem guten Willen der Gäste - oder vieler Jahre
Erfahrung, wie Maria sie hat. "Ich konnte als Kind schon sagen, ob die
Oma, die Tante oder meine Mama die Pasta gemacht hat. Obwohl im Grunde
alle die gleiche Menge des gleichen Mehls und die gleiche Anzahl an
Eiern verwendet haben", erzählt der Chef der Cantina. Ihm würde übrigens
nie einfallen, selbst Pasta zu machen. "Ich kümmere mich um das
Geschäft." Regelmäßig holt er lokale und nationale Jazzmusiker in sein
Lokal, die dann die Begleitmusik zum Gabelschlagen auf den Pasta-Tellern
machen.
"Spaghetti Bolognese gibt es gar nicht", ärgert sich Simona Spadoni,
Anwältin aus Bologna. "Wir essen gerne die Fleischsauce, aber niemals
mit Spaghetti, sondern stets mit Tagliolini. Die dicken Nudeln passen
gut zur kräftigen Sauce. Unsere Spezialität sind aber die Tortellini.
Wenn du zum Weihnachtsmahl keine Tortellini hast, kannst du Weihnachten
gleich absagen. Entweder du machst sie selbst, oder du besorgst die
Handgemachten in einem der Spezialitätengeschäfte in der Stadt. Die muss
man bis zu einem Jahr vorher bestellen, um auch sicher welche zu
bekommen."
Wir stehen unter einer der Arkaden Bolognas und schauen hinüber in eines
der erwähnten Geschäfte. Im Schaufenster hängen große Schinken wie
Vorhänge, dahinter wuseln drei in weiß gekleidete Verkäufer, um die
Wünsche der Kunden des bis zum Bersten vollen Lokals zu erfüllen. Das
Gedränge in den Arkadengängen ist zwar etwas geringer, aber man merkt
jede Sekunde, wie die malerische Studentenstadt pulsiert.
Motorinos
flitzen zwischen Fußgängern und Elektro-Bussen durch die Gassen. Über
das Geschehen wachen die beiden schiefen Geschlechtertürme, die je nach
Position des Betrachters einmal auf einander zu, oder von einander weg
zu fallen scheinen.
Vor der Fontana del Nettuno auf der Piazza Maggiore posiert ein junges
Mädchen vor der Kamera ihrer Eltern, auf der rechten Seite küsst sich
ein Paar, während Simona davon erzählt, wie der Papst einst dem Neptun
das Gemächt abschlagen lassen wollte. Während sich die ganze
Aufmerksamkeit in der Lendengegend der Statue sammelt, fällt kaum auf,
dass die Waffe, die Neptun hält, das Logo einer weiteren Automarke der
Emilia Romagna ist.
Maserati trägt auf seinen Sportwagen den Dreizack. Das Werk in Modena
ist nur wenige Minuten von Bologna entfernt. Nur wenige Kilometer sind
es nach Sant‘ Agata Bolognese zu Lamborghini. Nicht weit entfernt
produziert Ferrari in Maranello seine Traumwagen. Ducati, Moto Morini,
Bimota - wäre die Emilia Romagna nicht das Land der Motoren, könnte man
zu Fuss von Werk zu Werk gehen.
Motorenhauptstadt ist aber Modena. Neben Maserati stand hier das Werk
von De Tomaso und jenes von Stanguellini in der Stadt. Seit 1992
produziert auch Pagani in Modena seine Sportwagen.
Eines dieser Autos würde auch Enrico gut stehen. Er führt das Opera 2,
ein Agriturismo in Castelvetro, kümmert sich folglich weniger um PS als
viel mehr um den Aceto Balsamico Tradizionale di Modena, Lambrusco,
Grappa und Honig.
"Mindestens 12 Jahre muss der Balsamico reifen, damit er das Prädikat
Aceto Balsamico Tradizionale di Modena tragen darf", erzählt er, während
er zwischen den Batterien der Essigfässer durchspaziert. "Hier in der
Gegend haben viele Familien ihre eigene Batterie im Keller oder auf dem
Dachboden", und so sei auch er auf die Idee gekommen, Aceto Balsamico
herzustellen.
Im Keller des Agriturismo, das oben mit seinen extravaganten Zimmern
glänzt und mit einer hervorragenden Küche aufwartet, liegt Enricos
Weinkeller. "Den Lambrusco zum Beispiel in Österreich zu verkaufen,
gelingt uns nur schlecht. Nur ein Geschäft in Wien führt unseren Wein.
Das was bei euch als Lambrusco verkauft wird, ist minderwertiger Wein,
der sehr süß ist und deshalb einen sehr schlechten Ruf hat", erklärt er,
während er zu einem Glas greift, aus einer frisch geöffneten Flasche
einschenkt. "Wir bauen einen sehr trockenen Lambrusco aus."
Der Wein moussiert leicht im Glas, schmeckt kräftig, nicht süß. „In
Österreich kostet eine Flasche Lambrusco gerade einmal zwei Euro. Ich
verkaufe diesen Wein, den Opera Pura Grasparossa um 8,80 Euro ab Hof. In
Österreich kommt für den Schaumwein die Sektsteuer dazu - mein Wein ist
darum in Österreich so gut wie unverkäuflich."
Wer aufgeschlossen die Emilia Romagna besucht, muss damit rechnen, die
Welt mit anderen Augen zu sehen, neue Sachen zu schmecken und ständig
von Autos zu träumen, für die er sich vielleicht nicht einmal den Sprit
leisten kann.
Gewinnspiel:
Wir verlosen ein Buch "Lamborghini", in dem die Geschichte der italienischen Sportwagenmarke bilderreich nachgezeichnet ist.
Alles was Sie tun müssen: Schreiben Sie bis 22. 5. 2011 ein E-Mail, mit dem Betreff "Emilia Romagna", der Begründung warum gerade Sie das Buch erhalten sollen und Ihren Kontaktdaten an gewinnspiel@gluschitsch.com .