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Dieses Bild eines Videos stammt aus dem Reaktorgebäude 4 im havarierten AKW Fukushima.

Foto: AP/Tokyo Electric Power Co.

In Fukushima kämpfen die Arbeiter weiter gegen den Austritt von Radioaktivität. Doch Japans Stromindustrie sträubt sich gegen eine Anordnung der Regierung, einen der am stärksten von Erdbeben bedrohten Atomkraftwerkskomplexe des Landes vorübergehend abzuschalten.

Verantwortlich für den Machtkampf ist eine Schwäche des japanischen Rechts: Die Regierung hat in diesem Fall keine Entscheidungsgewalt. Für Betriebsgenehmigungen ist normalerweise die Präfektur zuständig.

Rechtlich nicht bindende Anordnung

Im Mittelpunkt des Machtkampfs steht das AKW Hamaoka, dessen fünf Atomreaktoren 180 Kilometer südwestlich von Tokio in einem gefährlichen Erdbebengebiet stehen. Japans Ministerpräsident Naoto Kan hatte am Freitag angeordnet, das AKW abzuschalten, bis es besser gegen Erdbeben und Tsunamis gesichert ist. Doch der Betreiber Chubu Electric Power (Chepco) zierte sich, der rechtlich nicht bindenden Regierungsanordnung augenblicklich zu folgen.

Am Samstag vertagte der Chepco-Vorstand eine Entscheidung vorerst. Der Stromkonzern, der unter anderem Toyota mit Strom versorgt, fürchtet einen Energieengpass, so die offizielle Begründung. Der Vorstand will sich heute, Montag, wieder treffen. Kan erhöht indes den öffentlichen Druck. Er hoffe, dass Chepco eine angemessene Entscheidung treffe, sagte er Sonntag vor Reportern.

87-prozentige Wahrscheinlichkeit für Stärke 8

Das AKW Hamaoka liegt nahe am möglichen Zentrum des gefürchteten Tokai-Erdbebens. Laut Experten wird die stark industrialisierte Region mit 87-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den kommenden 30 Jahren von einem Beben der Stärke 8 auf der Richterskala getroffen, erklärte Kan.

Nach dem Unglück von Fukushima, wo nach dem Megabeben vom 11. März der Tsunami die Schutzwälle überspülte, sollen in Hamaoka die Wälle erhöht werden. Dies dürfte zwei Jahre dauern. Bis dahin will die Regierung die Meiler vom Netz wissen. Andere Meiler sollen nicht abgeschaltet werden, versprach Kan.

Stromnot als Gegenargument

Einige Mitglieder im Chepco-Vorstand weisen darauf hin, dass das AKW Hamaoka das einzige AKW des Stromkonzerns sei und es daher zu Stromnot auch in der Region Chubu kommen könne. Kritiker wenden ein, Chepco könne auch ohne die AKWs die maximale Stromnachfrage befriedigen, gerade weil Hamaoka nur zwölf Prozent von Chepcos Kraftwerkskapazität ausmache und der Konzern im Vergleich am wenigsten von Atomstrom abhängig sei.

Anti-AKW-Initiativen vermuten einen tieferen Grund für den Widerstand des bisher stark vom Staat geförderten atomindustriellen Komplexes: die Angst vor einer Energiewende. Mit einer Abschaltung des AKW Hamaoka wären 32 von Japans 54 Atomreaktoren vorübergehend außer Betrieb. Elf Meiler hat das Erdbeben beschädigt. Andere waren zuvor für Wartungsarbeiten abgeschaltet worden. Den Strombetrieben könnte es später schwerfallen, Genehmigungen für die Wiederinbetriebnahme ihrer Reaktoren zu erhalten. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD; Printausgabe, 9.5.2011)