Jean-Claude Juncker ist kein Meister der Lüge. Das über seinen Sprecher Freitagabend verbreitete De- menti zu einem Spiegel-Online-Bericht, wonach es beim Chef der Eurogruppe ein "Geheimtreffen" zu Euro und Griechenland gäbe, überlebte keine zwei Stunden. Dann war klar, dass einige Euro-Entscheidungsträger sich sehr wohl an seinem Tisch trafen.

An mangelnder Praxis kann es nicht liegen. Der luxemburgische Premierminister bekennt sich ganz offen zur Methode, im Notfall schon mal nicht die Wahrheit zu sagen. Um Gerüchten, die dem Euro schaden, auf den Finanzmärkten nicht weiter Auftrieb zu geben, habe er "schon oft gelogen", sagte er bei einer Debatte zum Thema Europäische Wirtschaftsregierung. Wer Entscheidungen zur Währung treffe, sollte das am besten "in geheimen, dunklen Räumen tun" . All das laute, öffentliche Gequatsche von (zu) vielen Politikern über Euro-Maßnahmen befeuere nur das nervöse Hin und Her auf den Finanzmärkten - "zum Schaden von Millionen Bürgern" , so Junckers Credo. Das war vor drei Wochen.

Da ist was dran. Man versteht die Intention dahinter (der Begriff "ehrliche Absicht" wäre in diesem Zusammenhang aber wohl etwas schräg).

Natürlich kann ein Spitzenpolitiker in der Europaliga nicht in jeder Lage alles ganz offen sagen; kann nicht Schritte von Krisenintervention öffentlich erwägen, bevor solche intern auch nur ansatzweise durchdacht, geschweige denn realisierbar sind. Politiker der Kategorie Eurogruppenchef, Währungskommissar oder EU-Finanzminister müssen stets sehr genau abwägen, ob vorschnelle Erklärungen mehr Schaden anrichten als sie nützen. Es wäre naiv zu glauben, dass auf dieser Ebene immer totale Transparenz herrscht.

Dennoch kann das "Geheimtreffen" von Luxemburg als Musterbeispiel dafür gelten, wie man die Schulden-, Banken- und Eurokrise nicht handhaben sollte. Es wurde gegen drei Grundregeln verstoßen, die für nachhaltige Europolitik unumgänglich sind.

Erstens: Europa, der Euro und die zu seiner Absicherung nötigen Milliardenbürgschaften durch die Steuerzahler brauchen dringend mehr Verständnis und Unterstützung durch eine Mehrheit der Bürger. Das erfordert harte Aufklärungsarbeit, insbesondere Konfrontation mit jenen, die Europa und den Euro jetzt am liebsten wieder rückabwickeln wollen. Wie das ohne gröberen Schaden gehen soll, hat zwar niemand schlüssig erklärt. Aber wer glaubt, er könne es sich sparen, um breite demokratische Mehrheiten für Krisenmaßnahmen zu kämpfen, spielt Vereinfachern nur in die Hände.

Zweitens: Daher ist eine gescheite, offensive Öffentlichkeitsarbeit ganz besonders von den Spitzenpolitikern Europas gefordert, auch vom Kanzler. Völlig sinnlos ist es jedenfalls, offenkundige Probleme vor den Bürgern zu leugnen. Die Staatsschuld Griechenlands gehört dazu. Es würde die Glaubwürdigkeit eher erhöhen als mindern, wenn die Eurogruppe erklärt, dass sie solche Probleme angeht.

Drittens: In Luxemburg waren nur die großen Euro-Länder um Deutschland und Frankreich zugegen, nicht aber die kleinen wie Österreich oder Finnland. Ein schwerer Fehler, der die Skepsis der Bürger ebenfalls mehrt. Juncker und seine Tafelrunde sollten sich daran erinnern, dass es im Mai 2010 die kleinen Staaten waren, die das Rettungspaket für Griechenland letztlich möglich machten. Durch Brüskierung der kleinen EU-Staaten schwächt man den Euro noch mehr. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.5.2011)