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Arleth: "Interviews von Richtern sind nicht vorgesehen."

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Ein Interview hat die Tierschützerrichterin Sonja Arleth abgelehnt. "Ich kann Ihr Interesse verstehen, aber Interviews von Richtern sind nicht vorgesehen", antwortete sie auf ein entsprechendes Anfragemail des Standard. Schade, wenn auch erwartbar - aber der Versuch musste sein. Die Wiener Neustädter Prozessvorsitzende könnte Fragen beantworten, auf die es sonst keine Antworten gibt.

Die Frage zum Beispiel, wie sich ihre Kommunikation mit dem Staatsanwalt gestaltete: mit Wolfgang Handler, der eine Anklage vertritt, die man nur als höchst lückenhaft bezeichnen kann. Bestanden von Handlers Seite Erwartungen, Arleth möge die über Jahre zusammengetragenen und doch wenig stichhaltigen Vorwürfe an die 13 Beschuldigten möglichst unhinterfragt durchwinken?

Immerhin war schon die Anklageerhebung wegen organisierter Kriminalität nach Paragraf 278a höchst umstritten. Und unter die Fittiche der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt kam die Tierschutzcausa nur über den „Umweg" eines Verfahrens wegen eines Steinwurfs gegen eine Rechtsextremenverantaltung - angeblich begangen von einem gar nicht Mitangeklagten.

Ohrfeigen-Stakkato

Eine zweite Frage ergibt sich aus dem Eindruck vieler Querdurch-Beobachter der Tierschützer-Verhandlungen: Wann wurden Arleths Zweifel an der Anklage substanziell? Zu Prozessbeginn, im März 2010, nahm sie die vorgebrachten Vorwürfe sehr ernst, das war klar - während die Begründung ihres Freispruch am Ende einem Ohrfeigen-Stakkato für die Anklage gleichkommt.
Da sprach sie von "Ungereimtheiten im Vorgehen der Polizei", von "Schutzbehauptungen" der aussagenden Leiter der polizeilichen Sonderkommission (Soko) Tierschutz. Da stellte sie "Ungereimtheiten bezüglich Paragraf 278a" fest.

Wichtig für Arleths Meinungsumschwung dürften die Aussagen der verdeckten Ermittlerin "Danielle Durand" und der Vertrauensperson (VP) 481 gewesen sein, die unabhängig voneinander unter den Beschuldigten keinerlei kriminelle Machenschaften ausspähten. Dass sie als Zeuginnen überhaupt aussagen konnten, war nur der investigativen Verteidigungslinie der Beschuldigten und ihrer Anwälte zu verdanken, die zwar in jedem Krimi, aber nicht in der realen österreichischen Gerichtsbarkeit die Norm ist: um "Durand" aufzutun, engagierten die Beschuldigten einen Privatdetektiv.

Die Velten-Affäre

Auch die Offensivität der Verteidigung fand in Arleths Augen zuletzt Gnade. Deren Strategie sei "sehr extrem", aber "noch möglich" gewesen, sagte sie. Hatte sie das auch schon so eingeschätzt, als die Richtervereinigung gegen die Rechtswissenschaftlerin Petra Velten Klage erwog, weil diese durch Arleths Vorgehen das Fragerecht der Verteidigung ausgehebelt sah? Die Öffentlichkeit wird es nicht erfahren.

Bliebe eine persönliche Frage: Wie ist Arleth mit dem Stress umgegangen, dem sie als Einzelrichterin in einem derart umkämpften, politischen Verfahren ausgesetzt war? Im Grunde ist die Leitung eines solchen Monsterprozesses von einem einzelnen Menschen zuviel verlangt. Und die zum Teil frauenfeindlichen Anwürfe gegen sie haben den Druck sicher noch verstärkt. (Irene Brickner, derStandard.at, 7.5.2011)