Die Installation "Take me here by the Dishwasher - Memorial for a Marriage"

Foto: Bawag Contemporary

Die "Morðsaga" des Regisseurs Reynir Oddsson aus dem Jahr 1977

Foto: Bawag Contemporary

Wien - Nachmittägliche Frühmorgenstimmung verschummert die nüchternen Ausstellungsräume der Bawag Contemporary. In der Performance-Installation Take me here by the Dishwasher - Memorial for a Marriage des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson sitzen zehn Musiker auf Matratzen oder auf dem Boden, spielen Gitarre und singen. Jeden Tag bis Ausstellungsende am 26. Juni von 16 bis 19 Uhr.

Barfuß, in Socken oder Patschen, in kurzen Hosen oder im Ruderleiberl - die jungen Männer wirken wie Überbleibsel einer ausgiebigen Party. Bierflaschen und volle Aschenbecher stehen herum, eine letzte Zigarette nach der anderen wird geraucht. Ihr sanfter Song stammt von Kjartan Sveinsson, der bei der isländischen Band Sigur Rós das Keyboard spielt.

Der Text ist ein Dialog aus dem angeblich ersten richtigen Spielfilm, der in Island entstanden ist: die Morðsaga des Regisseurs Reynir Oddsson aus dem Jahr 1977. Kjartansson ist im Jahr davor geboren, und seine Eltern haben in diesem Film mitgespielt. Die Mutter, Guðrún Ásmundsdóttir, eine gelangweilte Hausfrau namens Margrét, der Vater, Kjartan Ragnarsson, einen Installateur, der die Fantasien unter den Lockenwicklern der Frau erhitzt. Die entsprechende Szene wird als Loop in der Ausstellung präsentiert. Im Souterrain läuft außerdem Kjartanssons Film The Man, der den im März verstorbenen 97-jährigen Musiker Pinetop Perkins zeigt, wie er im Freien vor der Kulisse eines verlassenen Hauses einem Klavier den Blues entlockt.

Dem Wiener Publikum ist Kjartansson durch seine schöne und ironische Videoinstallation The End (2009) auf dem Dachboden der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary bei deren Schlingensief-Hommage Figura cuncta videntis gut in Erinnerung. Auch hier waren Musiker zu sehen, wie sie im Freien - bei Eis und Schnee - spielen. "Take me here by the Dishwasher" vermischt biografische Struktur und künstlerische Formulierung zu einer als sanfte soziale und musikalische Skulptur auftretenden Performance.

Es ist ein Vergnügen, den vielen Zusammenhängen darin nachzugehen: der Anspielung auf den Kater der Popkultur, dem Geschlechterrollen-Irrsinn der Seventies oder der Komposition des Videobilds bei The Man, die an Andrew Wyeths ikonisches Bild Christina's World (1948) erinnert.

In dem aus einer einzigen Einstellung bestehenden Film ist ein Mikrofon so vor das Haus gestellt, als ob diese Ruine jeden Moment zu singen beginnen könnte. Und wenn Perkins überlegt, was er als Nächstes spielen soll, klimpert er zwischendurch immer wieder die ersten Takte von Jingle Bells. Der Moment der Unschlüssigkeit, der lapidare, einschläfernde Loop des Morðsaga-Ausschitts und die Wiederholungen der Musik verbinden sich - zu einer Art Ruhe vor dem Sturm. (Helmut Ploebst/ DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.5.2011)