"ÖH quälen, RFS wählen", "Denkzettel gegen Uni-Chaos" und "Prost, wenn Dir die Linken stinken!" - mit diesen Parolen steigt die FPÖ-Vorfeldorganisation "Ring Freiheitlicher Studenten" (RFS) in den ÖH-Wahlkampf ein. Das Ziel der blauen Studentenfraktion: eine Verdoppelung der Stimmen bei den Wahlen. Von den 85 Mandaten in der Bundesvertretung erreichte der RFS vor zwei Jahren nur ein Mandat.

Foto: Benedikt Narodoslawsky

Wilhelm Kogler schenkt Bier ein. In seinem Lokal "Bierfactory XXL" im 7. Wiener Gemeindebezirk - das Logo ein Bierkrügerl-Gesicht mit weit heraushängender Zunge - kosten 3 Liter Bier im Krug 19,39 Euro, 2 Liter Krüge 12,39 Euro. An diesem Abend fließt das Gebräu in normale Gläser, dafür kostet es die Gäste nichts: Der RFS hat zum Wahlkampfauftakt geladen - mit Freibier und Spritzer solange der Vorrat reicht. Um Mitternacht wird Kogler sagen: "Es wurde viel getrunken und gelacht."

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Das Bild des RFS-Spitzenkandidat Oskar Polak wird an die Leinwand geworfen. Während sich die meisten Sympathisanten bereits in der Bierfactory eingefunden haben, diskutiert der Kärntner im ATV-Studio mit den anderen ÖH-Spitzenkandidaten über die kommende Wahl. Seine Kollegen lauschen seinen Worten. Eine seiner Forderungen: "Die linke Gesellschaftspolitik der ÖH gehört beendet. Die ÖH soll eine reine Interessensvertretung der Studierenden werden."

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Eine weitere zentrale Forderung des Spitzenkandidaten: "Die ÖH muss von Grund auf reformiert werden, sodass sie mit allen auf Augenhöhe verhandeln kann. Sie muss vom linken Schmuddelimage wegkommen."

Auf ATV läuft der Abspann, die jungen Rechten klatschen.

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Ein 25-Jähriger - weißes Poloshirt, Bluejeans - schnappt sich das Mikrofon. Es ist RFS-Obmann Chlodwig Mölzer, Neffe des blauen Urgesteins Andreas Mölzer. Der Jus-Student (im Bild links) lobt seinen Spitzenkandidaten: "Oskar Polak hat seine Sache im Großen und Ganzen sehr gut gemacht."

Die ATV-Sendung, die nicht im Fernsehen lief, sondern nur via Internet gestreamt wurde, war einer der Höhepunkte im Wahlkampf. Zu Ostern wurde Polak einen halben Tag auf die TV-Diskussion vorbereitet. Nachdem er in der Bierfactory eintrifft, wird er sagen: "Mir ist jetzt ein großer Brocken von der Seele gefallen. Man ist natürlich nervös, denn man ist ein Amateur."

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Der Star des Abends ist aber nicht Spitzenkandidat Polak, sondern FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Zuvor hat er die Übertragung mit ruhiger Miene verfolgt, jetzt feuert er den blauen Nachwuchskader in der Bierfactory an: "Ihr seid das Rückgrat der FPÖ. Ihr seid ideologisch für uns sehr wichtig." Er verspricht, dem finanzschwachen RFS unter die Arme zu greifen. Eine Investition für die Zukunft: "Wir brauchen Akademiker, die wir für uns einsetzen können. In Ministerien. Als Sektionschefs." HC träumt von der Macht.

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"Wenn wir für die Studierenden eine Serviceeinrichtung machen, wird es uns gelingen, die nicht ideologisierten Studenten anzusprechen", sagt Strache. Keine linke Gesellschaftspolitik mehr, fordert Strache. "Diese linke ÖH ist eine Zumutung. Vor allem diese weiblichen Kalaschnikows. Bei uns sind die g'scheiten und die schönen Frauen - das ist der Unterschied", ruft Strache und erntet Lacher.

Später darauf angesprochen sagt er gegenüber derStandard.at: "Das mit den Kalaschnikows war ideologisch gemünzt." Ein Fotograf knipst ein Bild mit Stargast Strache und dem RFS-Kernteam. Spitzenkandidat Polak befindet sich zu der Zeit gerade auf dem Weg in die Bierfactory.

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Helwig, ein beleibter Herr in blauem Shirt, will seinen Nachnamen nicht verraten. Vor Jahren war er selbst Student und setzte sich für die Freiheitlichen ein, seit nunmehr  25 Jahren beobachtet er die ÖH-Wahlen. "Ein Jörg Haider wäre nicht zu so einer freiheitlichen Studentenveranstaltung gekommen. Das wäre ihm zu klein gewesen", sagt Helwig. "HC Strache nimmt sich Zeit für die Jungen. Das ist ein deutlicher Zugewinn für die Jugend."

Barbara Vilaghy studiert gar nicht mehr, aber sie sitzt heute trotzdem in der RFS-Runde. Frau Vilaghy, warum sind Sie heute hier? "Ich möchte, dass meine Kinder einmal eine Chance haben. Dafür kämpfe ich." Ihre Wunsch: "Ich will, dass die Universität wieder gescheite Professoren hat, die sich für Studierende einsetzen." Die Freiheitliche will die Unis entpolitisieren.

Neben ihr sitzt ein Mann mit dunklem Haar und silberner Krawatte, Bernhard Rösch, Bundesobmann der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) und Wiener Landtagsabgeordneter. "Die Universitäten müssen dafür sorgen, dass wir den Bedarf, den wir brauchen, aus unseren eigenen Reihen bewerkstelligen können." Österreich zuerst - das ist offizielle Parteilinie. Strache, bekennender Deutschnationaler, kritisiert sogar die Deutschen. Sie seien mitunter Schuld, dass "unsere österreichischen Studenten keinen Studienplatz mehr erhalten."

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Am Vormittag hat es Martin Graf als einziger der drei Nationalratspräsidenten nicht zur Gedenkveranstaltung für die Holocaust-Opfer ins Parlament geschafft, aber für die RFS-Auftaktveranstaltung am Abend in der Bierfactory hat Graf dann doch Zeit gefunden. Er ist der zweite Stargast, der dem freiheitlichen Nachwuchskader die Ehre erweist - auch wenn es laut einer Schätzung des Wirten nur 120 Gäste sind.

"Können Sie mir sagen, wo Herr Graf ist?" fragt der Reporter. "'Doktor Graf' heißt das", sagt der Gesprächspartner streng, der noch vor kurzem mit dem blauen Frontbänkler geredet hat, bevor dieser verschwand. Der FPÖ-Sprecher für Forschung und Wissenschaft taucht wieder auf und ist zu fortgeschrittener Stunde guter Laune. "Bin ich noch fotogen genug?", scherzt er in die Kamera. Klick. "Das ist der beste Fotograf", sagt er zum Reporter, ohne das Foto gesehen zu haben. Nur Chlodwig Mölzer, den sich Graf an die Seite geholt hat, will einen Blick darauf werfen.

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Der Abend hat einen stillen, blauen Helden. Er heißt Klaus Egger und ist Martin Grafs Referent, ein ruhiger, höflicher Mann. Egger (rechts im Bild, neben RFS-Bundesgeschäftsführerin Verena Lach und Wilhelm Kogler) hat den Abend für den RFS gerettet. Ein Tag vor der geplanten Veranstaltung hat ein Lokal im achten Bezirk den RFS wieder ausgeladen, da waren die Flyer schon längst gedruckt und verteilt. "Sie haben gesagt, sie wollen keine politische Veranstaltung", sagt Egger.

Wirt Wilhelm Kogler half aus und nahm die Freiheitlichen in der Bierfactory auf. "Das haben wir schon öfter gehabt", sagt Kogler über spontane FPÖ-Feiern aufgrund der Ausladungspolitik anderer Lokale. "Das sind wir schon gewohnt von der FPÖ."

Egger setzte die Hebel in Bewegung: Alles neu an einem Tag. Die neuen Flyer, die noch mal vor der Universität verteilt wurden, gab es deshalb nicht mehr auf Hochglanz. "Das wäre sich nie ausgegangen." Ist die Veranstaltung trotzdem gelungen, Herr Egger? "Meiner Meinung nach zu 100 Prozent gelungen." Was sagen Sie zur ÖH-Politik, Herr Egger? "Hier wird vieles aus der großen Politik im Kleinen geprobt. Die Studentenpolitik sollte sich aber nur auf studienrelevante Themen beziehen. Das sollte für alle gelten."

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Auch der RFS übt die große freiheitliche Politik im Kleinen, mit einem Thema, das wenig bis gar nichts mit dem Studium zu tun hat: dem Kopftuchverbot. Im RFS-Magazin "Der Ring" steht: "Fairerweise fordert der RFS ein generelles Verbot von sichtbaren religiösen Zeichen, unter die auch andere Kopfbedeckungen fallen würden."

Oskar Polak ist mittlerweile eingetroffen und setzt sich mit RFS-Chef Chlodwig Mölzer an einen Tisch. Seine weiteren Forderungen: "Es gibt viele Studenten, die nebenbei in prekären Verhältnissen arbeiten. Denen müssen wir sofort helfen, damit sie da rauskommen." Wer sein Studium ernst nehme, solle unterstützt werden. Herr Polak, wie wollen Sie das machen? "Wir brauchen mehr Geld." Wieviel? "Ich will mich auf keinen bestimmten Richtwert festlegen."

Der 30-jährige Kärntner, selbst hauptberuflich tätig, will auch den Studenten helfen, die voll im Berufsleben stehen. Die Möglichkeiten fürs Studium übers Internet gehörten ausgebaut, die Verschulung gehörte gestoppt, flexiblere Lehrveranstaltungen gehörten eingeführt. "Es geht nicht um die Anwesenheitspflicht, sondern um Leistung."

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Ausklang an der Schank. Das Publikum: hauptsächlich Männer. Frauen sieht man vereinzelt, so wie Schmisse auf den Wangen der Besucher. Die RFS-Bundesgeschäftsführerin Verena Lach ist eine der wenigen Besucherinnen. Sie sagt: "Die Frauen sind schüchterner. Viele haben Angst vor linken Randalen, weil bei uns geht's immer zu." Der Abend verlief dennoch friedlich. Die Polizisten vor der Bierfactory XXL hatten trotz hoher FPÖ-Prominenz eine ruhige Nacht. "Aber nur weil wir kurzfristig verlegt worden sind", sagt Lach. (Benedikt Narodoslawsky, derStandard, 6.5.2011)

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