Die Eröffnung des Brustkorbes verschafft den Chirurgen Zugang zum Herz.

Foto: Rudolf Mair, AKH Linz

Das menschliche Herz ist ein komplexes Organ und deshalb an vielen Stellen fehleranfällig. Die traurige Statistik beweist das: Bei einem von 100 Babys hat das Herz Löcher, fehlende oder verschlossene Herzklappen oder falsch angelegte Gefäße. Damit stehen Herzfehler auf der Liste angeborener Anomalien ganz oben. 

Noch vor 50 Jahren waren viele herzkranke Kinder zum Tode verurteilt. Heute stehen die Chancen mit einem angeborenen Herzfehler erwachsen zu werden gut. Viele Betroffene werden geheilt und führen ein völlig normales Leben.

Pränataldiagnostik

Die verbesserte Früherkennung darf einen Gutteil dieses Erfolgs für sich verbuchen. Ein Drittel aller Herzfehler wird schon Monate vor der Geburt im Mutterleib im Rahmen pränataldiagnostischer Ultraschalluntersuchungen erkannt und in Einzelfällen werden diese auch bereits intrauterin behoben. Routine sind solche Eingriffe hierzulande allerdings nicht und auch nicht zwingend erforderlich, denn in der Regel erweist sich diese Fehlentwicklung vor der Geburt als vollkommen unproblematisch. Das Kind ist über die Plazenta ausreichend versorgt. Intrauterine Fruchttode sind selten. Die pränatale Diagnose ist dennoch von Vorteil, denn so können die kranken Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt an kinderkardiologischen Zentren versorgt werden. 

Erblickt ein herzkrankes Kind das Licht der Welt, dann zeigt der Herzfehler je nach Schwere seine gesundheitlichen Folgen. Manche Neugeborene präsentieren sich blau oder drohen zu ersticken. Andere zeigen eventuell Trink- oder Atemprobleme. Wurde der Herzfehler vorgeburtlich nicht entdeckt, dann obliegt es dem Kinderarzt diskrete Symptome korrekt zu interpretieren.

Fragiler Organismus

Die Behandlung angeborener Herzfehler ist eine Domäne der Chirurgie. Mit viel Fingerspitzengefühl und Geschick stellen sich Kinderherzchirurgen einer großen Herausforderung, denn ihre Patienten sind klein und deren Herzen sind noch kleiner. Die walnussgroßen Organe sind außerdem keine Miniaturausgabe erwachsener Herzen. In diesem Alter ist der menschliche Organismus fragiler und gerät deshalb auch leichter aus dem Gleichgewicht. Dazu kommt erschwerend: „Die Behandlung richtet sich nicht auf eine Lebensverlängerung aus, sondern auf fast 100 Jahre", so Rudolf Mair, Leiter der Kinderherzchirurgie am Kinder-Herzzentrum in Linz, einer Kooperation zwischen der Landes-Frauen- und Kinderklinik und dem AKH Linz.

„Früher konnte man kein Loch verschließen, weil es keine Herz-Lungen-Maschine gab", erzählt Gerald Tulzer, Leiter der Kinderkardiologie am Kinder-Herzzentrum in Linz und bezeichnet das medizintechnische Gerät als die höchste Errungenschaft in der Herzchirurgie. Das Kinderherz wird dabei stillgelegt, die Herz-Lungen-Maschine übernimmt während der Operation seine Pumpfunktion. Das Blut des Kindes verlässt dabei den Körper über ein Schlauchsystem, wird außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und dem Körper anschließend wieder zugeführt. 

In den Anfangszeiten brachte diese extrakorporale Zirkulation eine Menge Probleme mit sich. Mikroembolien führten häufig zu Hirnschäden. „Die Fremdoberfläche ist zwar nicht kleiner, aber verträglicher geworden", weiß Mair. Mit modernen Filter- und Perfusionsmethoden ist die Rate der Komplikationen gesunken.

Minimalinvasive Eingriffe

Nicht alle Herzoperationen passieren am offenen Herzen. Viele Eingriffe lassen sich bereits ohne Eröffnung des Brustkorbes durchführen. Ein schonendes Verfahren, das aber ebenfalls einer gewissen Geschicklichkeit bedarf, ist die Herzkatheterbehandlung. Der Kardiologe muss in der Leiste zwei Gefäße anstechen, die dünner sind als ein Streichholz und über die Arterie und Vene mit dem Katheter zum Herzen vordringen. Dort werden vorhandene Löcher verschlossen oder Klappen aufgedehnt. 

„Egal ob üb er einen kleinen Zugang oder am offenen Herzen operiert wird, grundsätzlich stellt die Kinderherzchirurgie immer einen großen Eingriff im Leben eines Kindes dar", so der Kinderherzchirurg Mair und will damit auch die minimalinvasive Kathetertechnik nicht verharmlosen.

Lebenslange Kontrollen

Vielen Kindern sieht man, außer einer eventuell bleibenden Narbe, im Anschluss nicht mehr viel an. Wenige Jahre später laufen, spielen und toben sie, wie andere Kinder auch. Sie gelten als geheilt und sind doch lebenslang chronisch krank. Kardiologische Kontrollen gehören nämlich fortan zum Leben dazu. Solange das Wachstum nicht abgeschlossen ist, wird in engeren Abständen begutachtet, ist das Kind ausgewachsen und über Jahre bereits unauffällig, werden Kontrollen im Abstand von mehreren Jahren empfohlen. Nicht umsonst, denn: Narben im Herzen könne die Ursache zukünftiger Rhythmusstörungen sein. Dass sich daraus Probleme bis zum plötzlichen Herztod ergeben können, wissen die Patienten. 

Das 21. Jahrhundert darf also mit einer völlig neuen Patientengruppe aufwarten: Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern. „Ein Großteil davon ist noch nicht so betreut wie es sein sollte", bedauert Tulzer. Kein Wunder, haben doch Kardiologen noch vor 20 Jahren keine Erwachsene mit beispielsweise nur einer Herzkammer zu Gesicht bekommen. Einige Erwachsenenkardiologen haben deshalb bereits begonnen sich darauf zu spezialisieren. In diversen kinderkardiologischen Zentren wurden Ambulanzen für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern gegründet.

Keine Rehabeinrichtungen

Ein großes Defizit ortet der Kardiologe im Bereich der Rehabilitation: „Für Kinder gibt es praktisch keine Rehabiliationsmöglichkeiten. Viele sind nach einer Herzoperation sich selbst überlassen." Der Experte fordert deshalb familienorientierte Einrichtungen, die darauf ausgerichtet sind, auf die Bedürfnisse der kleinen Patienten einzugehen. (derStandard.at, 10.05.2011)