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Teile des zerstörten US-Helikopters. Neue Fotos werfen weitere Fragen über den Einsatz auf.

Foto: Reuters

Washington/Islamabad/Neu-Delhi - Vier Tage nach dem Tod von Osama Bin Laden erscheinen die Details der US-Operation immer widersprüchlicher. Neue, von der Agentur Reuters veröffentlichte Fotos von Leichen erwecken den Eindruck, dass mindestens zwei der Toten - vermutlich Bin Ladens Sohn Khalid und ein Vertrauter des Al-Kaida-Gründers - durch Kopfschüsse und möglicherweise aus nächster Nähe getötet wurden.

Auch der dritte Tote, ein weiterer Bin-Laden-Vertrauter, scheint einen Kopfschuss zu haben. Außerdem hat er einen großen Blutfleck im Brustbereich. Ob er dort auch eine Schusswunde hat, ist auf dem Foto nicht klar zu erkennen. Auch Osama Bin Laden selbst soll durch Kopfschüsse niedergestreckt worden sein. US-Präsident Barack Obama will das Foto aber nicht veröffentlichen. Zudem tauchten Gerüchte auf, dass auch ein Kind und ein Kleinkind bei dem Einsatz ums Leben kamen.

Zugleich korrigierten die USA abermals ihre Darstellung der Ereignisse. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, hatte anfangs behauptet, dass die US-Kommandos bei der gesamten Operation in Feuergefechte verwickelt gewesen seien. Nun räumte Washington laut New York Times ein, dass der Kampf "extrem einseitig" war - zu Deutsch: Bin Laden und die anderen haben sich offenbar kaum oder gar nicht gewehrt. Laut neuester US-Version habe nur einer von Bin Ladens Vertrauten, Abu Ahmed al-Kuwaiti, überhaupt auf die etwa 20 Elitesoldaten geschossen - im Gästehaus neben dem Hauptgebäude durch eine Tür hindurch. Die Amerikaner hätten ihn und eine Frau getötet. Später, so räumte Washington laut Bericht ein, wurde nicht mehr auf die Amerikaner geschossen. Diese hätten geglaubt, dass die Bewohner bewaffnet und gefährlich gewesen seien.

Doch auch die neue US-Version beantwortet nicht die Frage: Warum starben Bin Laden und mindestens zwei weitere Männer durch Kopfschüsse, obwohl sie kein Feuer eröffneten? Waffen sind auf den Fotos nicht zu sehen, sondern nur ein grün-oranges Plastikteil, bei dem es sich laut Reuters wahrscheinlich um eine Spielzeug-Wasserpistole handelt. Reuters hat die Fotos nach eigenen Angaben aus pakistanischen Sicherheitskreisen erhalten und stuft sie als authentisch ein.

Wie die Times of India berichtete, hatte der indische Geheimdienst die USA bereits Mitte 2007 und erneut 2008 gewarnt, dass sich Bin Laden nicht allzu weit von Islamabad in einem "Cantonment Area" , einem Wohngebiet des Militärs, in einer bevölkerten Stadt versteckt halten könnte.

Pakistan droht Washington

Ungeachtet der lauter werdenden Kritik behält sich US-Präsident Obama laut Weißem Haus das Recht vor, weiter gegen Terrorverdächtige in Pakistan vorzugehen. Islamabad ließ daraufhin wissen, die Kooperation mit den USA in einem solchen Fall überdenken zu wollen. Laut Medien will Pakistan nun verstärkt nach Taliban-Chef Mullah Mohammad Omar und Al-Kaida-Vize Ayman al-Zawahiri suchen. (Christine Möllhoff /DER STANDARD Printausgabe, 6.5.2011)