In Libyen müsste es jetzt vor allem schnell gehen. Das Mandat der Vereinten Nationen zum Schutz von Zivilisten sei, wenn nötig, auch etwas extensiver auszulegen. Die Intervention müsse ein rasches Ende finden. Das sagte der Vorsitzende der renommierten Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, zuletzt sinngemäß im Standard-Interview. Denn die Gefahr, dass die Allianz gegen das libysche Regime zu bröckeln beginnt, werde mit jedem Tag größer.

Die Signale allerdings, die am Donnerstag von der sogenannten Libyen-Kontaktgruppe aus Rom kamen, lassen nicht viel Hoffnung auf eine kurzfristig erreichbare Entscheidung in Libyen aufkeimen.

Viel Neues fiel der Anti-Gaddafi-Allianz beinahe zwei Monate nach Beginn der Militäraktion nicht ein. Die allgemeine Formel lautete: "Der diplomatische und der militärische Druck müssen erhöht werden." Wie genau das gehen soll, blieb ebenso im Vagen wie die exakte Dotierung jenes Sonderfonds, der die Kosten der Aufständischen in Bengasi decken soll.

Nach dem Angriff auf die Machtzentrale Gaddafis in Tripolis vom Wochenende sind keine weiteren Schläge gegen dessen Kommando- und Kommunikationsinfrastruktur erfolgt. Nato-Bodentruppen in Libyen stellen vorerst weiter keine realistische Option dar. Und die militärische Aufrüstung der Aufständischen scheitert an deren Unvermögen und dem verständlichen Misstrauen, dass der Westen ihnen gegenüber hegt. Sie mit "nicht-tödlichen Mitteln" (Hillary Clinton), also nicht mit Waffen, zu unterstützen mag weise sein. Geld aus Katar und Kuwait alleine allerdings entscheidet noch keine Kriege.

Insofern mag die Einschätzung der französischen Regierung, dass diese Intervention noch einige Monate dauern wird, überoptimistisch sein. Muammar al-Gaddafi und seine Leute können nicht nur warten, sie müssen auch ausharren. Eine andere Option haben sie derzeit nicht.

Aus dieser Sicht kann sich das Patt in dem nordafrikanischen Land noch lange hinziehen. Und Ischingers Befürchtungen könnten sich in der Tat schneller realisieren, als dem Libyen-Bündnis lieb ist. In Russland und China wird die Kritik ohnehin schon lauter, die Araber und ihre Liga sind unsichere Kantonisten. Sobald sie sich aus der Allianz verabschieden, ist an einen Erfolg für die Mission kaum noch zu denken.

Die Einzigen, die die Lage entscheidend beeinflussen können, sind die Amerikaner. Mit ihrer Strategie der Zurückhaltung wollten sie bisher nicht nur ihre Kräfte schonen, es ging auch darum, den Europäern - allen voran den Franzosen - vorzuführen, dass die europäische Sicherheitspolitik noch immer von den US-Streitkräften abhängt. Das ist ihnen nach nur wenigen Wochen Militärkampagne eindrucksvoll gelungen. Wie bei den Balkankriegen in den 1990er-Jahren sind die Europäer nicht imstande, in ihrer unmittelbaren Interessensphäre für Ordnung und Sicherheit zu sorgen.

Die Frage ist, wie lange die Operation "Odyssey Dawn" noch dahinplätschern kann, ohne dass Europa und letztlich auch die Vereinigten Staaten eine schmerzhafte Niederlage erleiden. Und die Frage ist weiter, wie lange die eigentlichen Adressaten der Intervention, die Zivilisten etwa in Misrata und Zintan, dem Druck der Gaddafi-Schergen noch standhalten können. Gibt es einen größeren Zynismus, als einem Massaker unter einer Flugverbotszone tatenlos zuzusehen? (Christoph Prantner/DER STANDARD Printausgabe, 6.5.2011)