Bild nicht mehr verfügbar.

Ruth Klüger, Schriftstellerin, wurde mit 11 Jahren ins KZ Theresienstadt deportiert. Sie ist Festrednerin im Parlament anlässlich des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus.

Foto: APA/Hochmuth

Bild nicht mehr verfügbar.

Heinz und Margit Fischer nehmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Die Unbegreiflichkeit des Mordens im Holocaust und das Schicksal der Kinder dieser Zeit hat Ruth Klüger, Autorin, Literaturwissenschafterin und Überlebende von drei Konzentrationslagern, in den Mittelpunkt ihrer Rede bei der heurigen Gedenkveranstaltung gegen Rassismus und Gewalt gestellt. Was man seit dieser Zeit wisse sei, dass ein Rechtsstaat nicht unbedingt ein Rechtsstaat bleiben müsse, lautete Klügers Warnung.

"Der Kern der Sache bleibt unbegreiflich", meinte die in den USA lebende 79-Jährige, die durch ihren autobiografischen Roman "weiter leben" Weltruhm erlangt hatte. Die wirtschaftliche Lage alleine könne es nicht gewesen sein, seien doch andere Länder noch wesentlich schlechter da gestanden. Auch Unwissenheit komme nicht in Frage. Die Täter hätten über ein relativ hohes Bildungsniveau verfügt und seien entweder humanistisch oder religiös erzogen gewesen. Doch der Mensch sei nicht programmierbar.

Schicksal der Kinder

Eine Verdrängung der Geschehnisse funktioniere jedenfalls nicht. Das Ausmaß des Holocaust sprenge alle Rahmen und Raster: "Der Massenmord war keine verborgene Leiche im Keller."

Besonderes Augenmerk legte Klüger, die selbst mit elf Jahren an der Seite ihrer Mutter ins KZ Theresienstadt deportiert worden war, auf das Schicksal der Kinder. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was in den Lagern vorgegangen war, sei auch den Kindern klar gewesen: "Wir waren wach und später vielleicht nie mehr so wach wie damals."

Für sie als erwachsene Person von heute müsse niemand Respekt haben, "aber Respekt vor dem Kind, das ich damals war". Enden tue ihr Verständnis, wenn sie daran denke, dass Kinder als "unnütze Esser" ermordet worden seien: "Schoßhunde waren auch unnütze Essen und wurden nicht vernichtet".

Prammer warnt vor Vergessen

In ihrer Rede forderte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) die Österreicher einmal mehr dazu auf, sich der Geschichte zu stellen. Sie verwies auf eine aktuelle Umfrage, in der sich die Hälfte der Österreicher dafür ausgesprochen habe, einen Schlussstrich unter die Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen. Aber "wer vor der Vergangenheit die Augen schließt, flieht vor der Gegenwart", nahm Prammer eine Anleihe beim ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Den Menschen müsse einmal mehr klar gemacht werden, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus stattgefunden hätten und von einer großen Masse begeisterter Österreich mitgetragen worden seien.

Daher sei, so Prammer, auch die Entwicklung des demokratischen Denkens jedes Einzelnen von großer Bedeutung. Sie wies auf die Instrumentalisierung der Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus hin und warnte vor blindem Gehorsam. Jeder Einzelne sei zu kritischem Denken und Hinterfragen aufgefordert, da nur so ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten sei. Prammer betonte, dass Demokratie und Menschenrechte immer nur so stark wie die Menschen, die sie mittragen.

Fischer bei Gedenkveranstaltung

Bundesratspräsident Gottfried Kneifel (ÖVP) betonte die herausragende Bedeutung von Gedenkstätten. Noch 1997, als National- und Bundesrat den 5. Mai zum Gedenktag ernannt haben, hätten viele Menschen noch Zeugnis über die Zeit des Nationalsozialismus ablegen können. Ihre Erinnerungen seien "bald ganz allein in unseren Händen und Köpfen", so Kneifel. Schulen und Gedenkstätten seien ganz besonders dazu aufgefordert das Wissen auch an junge Menschen weiterzugeben.

Zur traditionellen Gedenkveranstaltung hatten sich neben dem Großteil der Bundesregierung - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) fehlte wegen seines China-Besuchs - und der Parlamentarier unter anderem auch Bundespräsident Heinz Fischer, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant sowie Rechnungshof-Präsident Josef Moser im historischen Sitzungssaal des Hohen Haus eingefunden.

Im musikalischen Teil des Programms, für den Musikschule der Stadt Linz verantwortlich zeichnet, wurde unter anderem das "Dachaulied" von Jura Soyfer zur Aufführung gebracht. Dem "Netzwerk des Terrors", das die Nationalsozialisten über Europa gezogen hatten, widmete sich ein Kurzfilm, der von einem Jugendprojekt unter anderem mit Modeschülerinnen aus Wien und Lehrlingen der Voest gestaltet worden war. (APA)