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Trotz der Atomkatastrophe in Japan bleiben den europäischen AKW-Betreibern beinharte Stresstests erspart. Terrorangriffe oder Bedienungsfehler werden als Szenarien ausgeschieden.

Foto: dapd/Lennart Preiss

Die Sicherheitstests für die 143 Atomkraftwerke in der EU werden weniger streng ausfallen als von Kritikern der Nuklearenergie erwartet. Frankreich und Großbritannien legen sich quer. Die EU-Kommission schlägt nur Tests für Naturkatastrophen vor, keine technischen Checks.

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Vor allem in Österreich und Deutschland war die Hoffnung besonders groß, dass nach der Erdbeben- und Nuklearkatastrophe in Japan Mitte März durch neue gemeinsame Stresstests für Atomkraftwerke ein Umdenken in der EU-Energiepolitik eingeleitet werden könnte. Nach dem Bekanntwerden der ersten Umsetzungspläne gemäß dem entsprechenden Auftrag der Staats- und Regierungschefs an die EU-Kommission ist die Enttäuschung nun groß.

Die AKW-Tests verkämen zur "Farce" , gab Greenpeace den Ton vor. Die SPÖ, die ein Volksbegehren zum generellen Atomausstieg vorbereitet, spricht von einer "Verhöhnung der europäischen Bevölkerung" , FPÖ und BZÖ erklärten, dass das Ganze von Anfang an ein Placebo, fragwürdige Sandkastenspiele gewesen seien.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger kündigte beim informellen Treffen der EU-Energieminister in Budapest für nächste Woche einen "starken" Vorschlag an.

Pläne der Europäischen Atombehörden sehen Stresstests in den 143 AKWs der Union aber nur in Hinblick auf Naturkatastrophen vor, Erdbeben, Überschwemmungen, extreme Hitze oder Kälte. Technische Prüfungen, inwieweit Auffangbecken, Notstromversorgung oder Kühlung auch im Falle von Terrorangriffen oder Bedienungsfehlern der Belegschaft sicher funktionierten, sind fürs Erste nicht vorgesehen. Dagegen hatten sich die nationalen Aufsichtsbehörden, die der Kommission gemäß dem Auftrag der EU-Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Ende März Vorschläge machten, verwahrt. Vor allem Frankreich und Großbritannien, die gemeinsam fast 100 AKWs betreiben darauf, bestehen darauf, dass Kontrollen wie bisher fest in nationaler Hand bleiben. EU-Prüfer sollen keinen Zutritt zu AKWs bekommen. Tests würden von lokalen Behörden ausgeführt, Ergebnisberichte aber nach Brüssel zur "Review" geschickt.

Protest kommt von den Grünen. "Die AKW-Stresstests werden zur Farce. Ein solcher Persilschein für die AKW-Betreiber muss von der österreichischen und von der deutschen Regierung abgelehnt werden. Wir werden gemeinsam heftigen Widerstand leisten" , sagte Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Mittwoch in Berlin. Sie war mit einer Delegation österreichischer Grüner in die deutsche Hauptstadt gekommen, um eine engere Zusammenarbeit mit den Kollegen der deutschen Ökopartei abzustimmen. In der Anti-Atom-Politik will man stärker zusammenarbeiten. "Gemeinsam werden wir den Kampf gegen die EU-Atomlobby auf allen Ebenen fortsetzen" , erklärte die deutsche Grünen-Vorsitzende Claudia Roth.

Falls der Betreiber das havarierte Atomkraftwerk Fukushima I unter Kontrolle bringt, will Japans Regierung im Jänner 2012 über eine Rückkehr von Bewohnern in die Sperrzone entscheiden. (Thomas Mayer aus Brüssel, Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.5.2011)