Wien - Tim Jackson, Professor der University of Surrey, propagiert den Slogan "Wohlstand ohne Wachstum". Er fordert mehr Einkommensgleichheit und die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei Investitionen. Für Karl Aiginger vom WIFO ist ein moderates Wirtschaftswachstum dennoch wünschenswert, er fürchtet sich vor hoher Arbeitslosigkeit, wie er in einem Streitgespräch Mittwochabend an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) erklärte.

Jackson will seine Vision mit einem ökologischen Zugang zu Wirtschaft erreichen. Er hält die von den "Mainstream-Ökonomen" propagierte Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch für eine Illusion. Auch wenn die Produktion von Gütern und deren weltweiter Transport um ein Drittel weniger materialintensiv wären als noch vor ein paar Jahrzehnten, würden dennoch insgesamt mehr Ressourcen verbraucht, meint Jackson. Daher fordert er, aus der "Wachstums-Spirale" auszubrechen und in Zukunftsinvestitionen ökologische Kriterien einfließen zu lassen. Auch fordert er den Fokus auf lokale Gemeinden zu legen.

Wifo-Chef sorgt sich

Dem widerspricht Karl Aiginger vom Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) vehement. Er sorgt sich bei einem Null-Wachstum-Szenario um die Arbeitslosigkeit. Die Geschichte hätte gezeigt, dass Phasen wirtschaftlicher Stagnation oder gar Rezession immer zu höherer Arbeitslosigkeit führen würden. Die Alternative dazu wäre nur eine radikale Kürzung der Arbeitszeit, an die sich dann aber auch alle zu halten hätten. Weiters würden schon heute zwei Drittel des Wirtschaftswachstums mit ressourcenschonenden immateriellen Gütern erwirtschaftet. Aiginger plädiert daher für ein moderates Wirtschaftswachstum von ein bis eineinhalb Prozent.

Demgegenüber will Jackson ein neues Wirtschaftssystem rund um die Arbeitnehmer bauen. Denn schon jetzt würde das Paradigma des Wirtschaftswachstums zunehmend nicht mehr für die Arbeitnehmer gelten, wie Reallohneinbußen in zahlreichen europäischen Ländern wie Deutschland zeigen würden. Er kritisiert die steigende Ungleichheit der Einkommen und die Tendenz des jetzigen Wirtschaftssystems, die Gewinne zu privatisieren und die Verluste zu sozialisieren. In Bezug auf den Zeitpunkt der Umsetzung dieses Systemwandels schloss Jackson mit einer Anekdote: Erste Wahl ist es, einen Baum vor 20 Jahren gepflanzt zu haben. Zweite Wahl ist es, es jetzt zu tun (APA)