Eva Jantschitsch alias Gustav betrachtet die heimische Musikszene trotz Popfests pragmatisch-säuerlich.

Foto: Heribert Corn

Standard: Das Wiener Popfest findet am Karlsplatz statt; einem seltsam undefinierten Platz im Herzen der Stadt. Das wirkt wie eine Metapher für die Wahrnehmung und den Umgang mit heimischer Popmusik.

Jantschitsch: Prinzipiell sehe ich undefinierte Plätze eher als Chance denn als Verdammnis. Spannend ist auch die Einbeziehung der umliegenden Museen und Theater als Spielorte. Am medialen Umgang mit heimeliger Popmusik und ihrer breiteren Wahrnehmung können, mit Verlaub, nur die Medien etwas ändern. Der Umgang der Konsumenten mit in Österreich entstandener Musik unterscheidet sich meines Erachtens nicht von dem mit internationaler Musik - die Wertschätzung ist im gleichen Maße vorhanden.

Standard: Wie wichtig ist das Popfest für die daran beteiligte Musikszene?

Jantschitsch: Bands erspielen sich ihr Publikum durch zähes Touren und Mundpropaganda, daran wird ein Popfest nichts ändern. Ich behaupte sogar, dass es davon profitiert. Das Popfest bedeutet für Bands mit verhandlungsresistenten Agenturen eine gute Gage, für jene, die man mit dem Begriff Plattform abspeist, zumindest die Verheißung auf Erschließung eines neuen Publikumssegments, in jedem Fall und allem voran Prestige für die Stadt und deren Kulturpolitik. Dazu ein bisschen Marktgeheul, Standortphrasengedresche mit verklausuliertem Heimatstolz. Und wir spielen mit, weil wir uns einreden, es ginge um die Musik. Das tut es. Auch.

Standard: Die Veranstalter wollen die Wahrnehmung heimischer Popmusik neu definieren; weg von Stürmer, Fendrich oder Ambros, hin zu Kreisky, Gustav, Ja, Panik und anderen. Kann das gelingen?

Jantschitsch: Das eine - Ja, Panik und Kreisky, trotz grauer Schläfen - ist durchaus der Jugendkultur zuzurechnen, das andere - Fendrich - eher der betreuten Sterbehilfe. Das Ziel der Veranstalter ist jedenfalls edel und kann durch beständige Arbeit an den Gehörmuskeln vielleicht erreicht werden.

Standard: Was wäre notwendig, um die vielfältige Szene adäquat abzubilden?

Jantschitsch: Ich meine, Robert Rotifer leistet als Kurator exzellente Arbeit, dennoch könnte eine der Antworten lauten: ein jährlich wechselndes Kuratorenmodell.

Standard: Hierzulande scheint der Popbegriff immer noch von Ö3 bestimmt, dazu von Formaten wie "Helden von Morgen". Was kann man gegen diese Vormacht tun?

Jantschitsch: Nachdem es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tatsächlich kein einziges Format gibt, das sich mit aktueller Jugendkultur auseinandersetzt, sehe ich diesbezüglich terrestrisch schwarz. Da leistet das Dosenfernsehen ServusTV viel mehr und bedeutend bessere Arbeit als der Staatsfunk. Abgesehen davon glaube ich aber an die Mündigkeit der Konsumenten und Konsumentinnen und bin der Überzeugung, dass das (Radio-)Angebot im Internet das seinige dazutut, dass sich jede und jeder seinen Popbegriff selbst zusammenbastelt.

Standard: Nur wenige heimische Bands und Musiker sind mit ihrer Musik (über)lebensfähig. Fehlt es an Förderungen oder ist das selbstverschuldet - ob mangelnder Originalität oder Qualität?

Jantschitsch: Vielleicht könnte man Musikförderung mal testweise wie die Agrarsubvention gestalten, dann sähe die Lage insgesamt wohl rosiger aus. Allein, dazu fehlt ein musikaffiner Lobbyist ... (Karl Fluch/DER STANDARD, Printausgabe, 4.5. 2011)