Cornelia Kogoj ist seit 1998 Generalsekretärin der Initiative Minderheiten.

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1991 gegründet, setzt sich die nicht-staatliche und nicht-profitorientierte Organisation "Initiative Minderheiten" für eine minderheitengerechte Gesellschaft ein. Im daStandard.at-Interview spricht Cornelia Kogoj, Generalsekretärin der Initiative, über ihre Vorstellungen einer minderheitengerechten Gesellschaft, die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und demokratiepolitische Vergehen.

daStandard.at: Frau Kogoj, wer oder was ist eine "Minderheit"?

Cornelia Kogoj: Eine Minderheit bilden Personen, die aufgrund ihrer ethnischen, sozialen, religiösen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren. Politisch ist Diskriminierung als Ausschluss von bestimmten Rechten zu sehen, sozial als die Erfahrung von Vorurteilen und Ausgrenzungen. Minderheiten in Österreich sind die gesetzlich anerkannten Volksgruppen, MigrantInnen, AsylwerberInnen und Flüchtlinge, Lesben, Schwule und Transgender sowie Menschen mit Behinderung.

daStandard.at: Wie sieht eine "minderheitengerechte Gesellschaft" für Sie aus?

Kogoj: Für uns ist das eine Gesellschaft, in der individuelle Lebensentwürfe unabhängig von ethnischer, sozialer oder religiöser Zugehörigkeit, sexueller Orientierung und Behinderung als gleichberechtigt und gleichwertig anerkannt sind. Eine Gesellschaft ist nur dann minderheitengerecht, wenn sie verschiedene Lebensentwürfe gleichmäßig und gerecht ermöglicht und fördert.

daStandard.at: Am 19. April feierte die Initiative Minderheiten ihr 20jähriges Bestehen, ein Grund zum Jubeln. Sebastian Kurz wurde am selben Tag als Staatssekretär für Integration präsentiert. Auch ein Grund zum Jubeln?

Kogoj: Nein, leider kein Anlass zum Jubeln. Seit unserer Gründung treten wir für ein Integrationsstaatssekretariat ein, aber die Bestellung des Staatssekretärs ist eine Verhöhnung all unserer bisherigen Forderungen. Nicht aufgrund seiner Jugend, sondern weil er kein Experte ist. Er verfügt weder über das notwendige Wissen noch über die notwendige Erfahrung. Und dieses Erfahrungswissen kann man nicht in ein paar Monaten bekommen. Auch dass das Staatssekretariat im Innenministerium angesiedelt ist zeigt, was man davon zu erwarten hat. Es geht um Sicherheitsfragen und nicht um die Leute, die hier leben.

daStandard.at: Die Sprachkompetenz von MigrantInnen ist derzeit ein vieldiskutiertes Thema. Ein von Ihnen im November veranstaltetes Symposium behandelt in erster Linie sprachrelevante Fragen. Kein Zufall, oder?

Kogoj: Nein, das ist kein Zufall. Sprache bildet in den öffentlichen Debatten, die unter den Oberbegriffen "Integration-Migration-Minderheiten" geführt werden, die Gretchenfrage. Sie wird sowohl als Ressource wie auch als aufgeladene Symbolik gesehen. Im Rahmen des Symposiums geht es einerseits um die Frage, wie es sicht "richtig" über Minderheiten sprechen lässt. Andererseits wird auch die "Mehrsprachigkeit" erörtert werden. Thematisiert werden außerdem Möglichkeiten zur Aufwertung von Minderheiten- und MigrantInnensprachen, etwa durch Türkisch oder Romanes als Maturasprache.

daStandard.at: Auch im Kärntner Ortstafelstreit geht es um die Sprache. Zuletzt forderten die FPK und die FPÖ eine kärntenweite Volksabstimmung zur Ortstafel-Einigung. Wie beurteilen Sie diese Forderung?

Kogoj: Es ist eine Frechheit, bei international verbrieften und sich in Verfassungsrang befindlichen Rechten eine Volksabstimmung durchführen zu wollen. Wenn es um Minderheitenrechte geht, kann nicht mit Mehrheitsentscheidungen operiert werden!

Es gibt, neben dem Staatsvertrag von 1955, eine klare Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für die Aufstellung der Ortstafeln. Dass diese bis heute nicht dementsprechend aufgestellt wurden, ist ein klares demokratiepolitisches Vergehen. Man stelle sich die gleiche Situation für die deutschsprachige Volksgruppe in Südtirol vor. Österreich würde sofort aufschreien! Aber im eigenen Land warten die Minderheiten schon seit 56 Jahren darauf, dass der Staatsvertrag umgesetzt wird.

daStandard.at: Zumindest teilweise umgesetzt wurde die Forderung nach der Anerkennung gleichgeschlechtlicher ParnterInnenschaften, als im letzten Jahr das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) verabschiedet wurde. Ist Ihre Forderung "Gleiches Recht für alle!" damit umgesetzt?

Kogoj: Auch wenn die EPG einen wichtigen Meilenstein darstellt, werden z.B. EinwandererInnen, die lesbisch/schwul/queer sind, immer noch benachteiligt. Die RechtswissenschafterInnen Rosmarie Doblhoff-Dier und Joachim Stern haben im Rahmen unseres Projekts "Viel Glück! Migration Heute" gezeigt, dass mit dem Gesetz verpartnerte Personen migrationsrechtlich zwar formell EhepartnerInnen gleichgestellt wurden. Problematisch bleibt aber, dass die formelle Gleichstellung in transnationalen Konstellationen oft ins Leere greift, weil die PartnerInnenschaft formell schon im Herkunftsland bestanden haben muss, um einen Anspruch auf Familienzusammenführung zu haben. Diese Voraussetzung stößt schon innerhalb der EU an ihre Grenzen und stellt in vielen Drittstaaten eine unüberwindbare Hürde dar.

daStandard.at: Sie sind seit 1998 Generalsekretärin der Initiative. Wie fällt Ihr persönliches Resümee aus, wenn sie die vergangenen Jahre Revue passieren lassen?

Kogoj: Wichtig waren die Widerstandsbewegungen gegen „Schwarz-Blau" im Jahr 2000, die uns alle, auch mich, sehr stark politisiert und vernetzt haben. Für die Initiative Minderheiten war die Ausstellung "Gastarbajteri - 40 Jahre Arbeitsmigration" im Wien Museum und in der Hauptbücherei ein Highlight. Es war sicherlich unser größtes, schwierigstes, schönstes und publikumswirksamstes Projekt.

daStandard.at: Eine letzte Frage: Wie "minderheitengerecht" ist die österreichische Gesellschaft heute?

Kogoj: Ein klares "Gar nicht"! (Meri Disoski, 3. Mai 2011, daStandard.at)