Wien - Ein Corporate Governance Codex für den ORF steht dem potenziellen Aufstieg einiger Mitglieder des Stiftungsrates in ORF-Führungsetagen nicht notgedrungen im Weg. Das meint zumindest der Medienexperte und Verwaltungsrichter Hans Peter Lehofer in seinem Internetblog (http://lehofer.at/blog). Zumindest die klassischen Corporate Governance-Regeln würden einen Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand, in ORF-Sprache einem Wechsel vom Stiftungsrat ins Direktorium, nicht ausschließen.

Dieser Wechsel komme "auch bei börsennotierten Aktiengesellschaften vor und ist aus Corporate Governance-Sicht wesentlich unproblematischer als umgekehrt", so Lehofer. Ein ORF-spezifischer Corporate Governance Kodex könne aber "natürlich über die für Aktiengesellschaften geltenden Regeln hinausgehen", gibt der Verwaltungsrichter zu denken.

Anlass für Lehofers Analyse war die Initiative des ÖVP-"Freundeskreis"-Leiters im ORF-Stiftungsrat, Franz Medwenitsch, im Rahmen der nächsten Stiftungsratssitzung am 12. Mai die Arbeitsgruppe Corporate Governance zu reaktivieren. Medwenitsch will klären, ob - wie kolportiert - ein Wechsel der SPÖ-nahen Stiftungsratsvorsitzenden Brigitte Kulovits-Rupp an die Spitze der burgenländischen Landesdirektion oder der Aufstieg von Zentralbetriebsrat und Stiftungsrat Michael Götzhaber zum Technischen Direktor erlaubt wäre. Medwenitsch stößt sich vor allem an der zeitlichen Nähe zwischen Generaldirektorenwahl und dem möglichem Aufstieg einzelner Wahlberechtigter.

Neben den Karriereambitionen von Stiftungsratsmitgliedern ortet Lehofer übrigens weitere Regeln im österreichischen Corporate Governance Kodex, "über die der Stiftungsrat durchaus nachdenken könnte". So sollte sich der Aufsichtsrat "jährlich mit der Effizienz seiner Tätigkeit, insbesondere mit seiner Organisation und Arbeitsweise" befassen. Weiters habe das Gremium "abhängig von der Unternehmensausrichtung und der Unternehmenslage ein Anforderungsprofil zu definieren und darauf bezogen, auf der Grundlage eines definierten Besetzungsverfahrens, die Vorstandsmitglieder zu bestellen". Und geraten Aufsichtsratsmitglieder in Interessenskonflikte, hätten sie dies unverzüglich offen zu legen. (APA)