Wolfgang Bauer (rechts) mahnt massive Einsparungen in der Verwaltung ein, Andreas Schieder glaubt nicht an die großen Summen, kann sich aber zumindest "privat" die Streichung der Landesebene vorstellen.

Foto: STANDARD/Hendrich

Andreas Schieder: "Die immer wieder genannten Einsparsummen sind für mich nicht nachvollziehbar."

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Wolfgang Bauer: "Wir sind keine Wutbürger, sondern sorgen uns um die Zukunft unserer Kinder."

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STANDARD: Die Verwaltungsreform kommt nicht in die Gänge. Herr Staatssekretär: Ist der Leidensdruck zu gering oder der politische Widerstand der Beamten und der Länder zu groß?

Schieder: Ein realistischer Blick auf die Fragestellung zeigt, dass es sehr viele Bereiche gibt, wo Reform, Verbesserung, Effizienzsteigerung auch passiert. Verwaltungsreform heißt in erster Linie ein besseres Service für die Bürgerinnen und Bürger und in zweiter Linie natürlich weniger Kosten und mehr Einsatzeffizienz. Durch die Reduktion des Personalstandes im Bund entsteht ein automatischer Reformdruck in Form vieler Projekte. Das ist eine Fülle von Schritten, das ist nicht der große Knall, sondern eine laufende Verbesserung der Verwaltung. Das Ziel ist, es besser zu machen und nicht schlechtzureden.

STANDARD: Herr Bauer, sind Sie damit zufrieden?

Bauer: Mir geht es darum, dass wir der Jugend und auch den Noch-nicht-Geborenen Chancen geben wollen. Derzeit sitzen wir auf einem Riesenschuldenberg, und der Schuldenberg ist dabei noch das geringere Problem als die Zinsen, die sich daraus ergeben. Die kosten schon zehn Milliarden Euro im Jahr. Das ist mehr als dreimal so viel, wie für die Hochschulen ausgegeben wird. Mit dem neuen Finanzrahmen wird die Situation noch verschlechtert, weil die Defizitreduktion einfach nach hinten geschoben wird. Bis 2013 macht die Regierung 30 Mrd. neue Schulden. Man ist anscheinend nicht willens, im Eigenbereich wirklich einmal hineinzuschneiden und zu sparen, Bürokratie und Privilegien abzubauen, und zwar auch dort, wo es auch einmal wehtun könnte. Wir sind keine Wutbürger, sondern unsere größte Sorge ist die Zukunft unserer Kinder.

Schieder: Durch Schlagwörter wie Bürokratieabbau oder Privilegienabbau wird das Ansinnen nicht richtiger oder die Verwaltung schlanker. Es sind nur die Projekte, die das ermöglichen. Und ich möchte schon dazusagen, wir haben eine Bundesverwaltung, die auch im Vergleich zu vielen privatwirtschaftlichen Verwaltungen wesentlich effizienter organisiert ist. Jede Sozialversicherung, jede Pensionsversicherung hat einen geringeren Verwaltungskostenanteil als jegliche private Versicherung. Der Finanzrahmen sieht zudem vor, dass wir bis 2013 in dieser Legislaturperiode allein durch die Nichtnachbesetzung jeder zweiten pensionierten Stelle im Bundesdienst 2500 Stellen einsparen.

STANDARD: Was bringt das?

Schieder: Das sind 320 Millionen Personalkosten, die eingespart werden. Wir kommen schon noch über eine Milliarde. Der öffentliche Dienst ist nicht nur der Beamte, der mich ärgert, weil er mir ein Strafmandat ausstellt oder weil ich warten muss auf eine Genehmigung, sondern das sind Lehrerinnen und Lehrer, die unsere Kinder ausbilden, das sind die Hochschullehrer, die zum Teil forschen, zum anderen Teil auch unsere Kinder ausbilden, das sind die gesamten Beschäftigten im Spitalswesen, das sind die Leute, die für Sicherheit sorgen, auch die sogenannten Beamten in den Amtsstuben treffen ja Entscheidungen und machen eine Arbeit, die wichtig ist. Das alles ist Verwaltung, auch dass Mitarbeiter die Steuer eintreiben, dass wir die Steuereinnahmen auch haben, um das alles zu finanzieren. Man kann sich nicht hinsetzen und sagen, wir brauchen das alles nicht.

STANDARD: Es geht doch nicht um Zusperren, sondern um Effizienz, Abbau von Doppelgleisigkeiten, die in zahllosen Expertenpapieren aufgelistet und berechnet sind.

Schieder:Die immer wieder genannten riesigen Einsparungssummen kann ich nicht nachvollziehen. Das heißt in Wahrheit weniger soziale Sicherheit und weniger Dienstleistungen im öffentlichen Bereich, und da bin ich nicht bereit mitzumachen. Finanzonline ist zum Beispiel das große Erfolgsprojekt im Bereich elektronische E-Government-Lösungen. Inzwischen werden 1,5 Mio. Anträge online abgewickelt. Mit der Handysignatur werden weitere Schritte gesetzt.

Bauer: Ein Unternehmen, das nicht alle zehn Jahre eine Effizienzaktion macht und mindestens zehn Prozent Kostensenkung erreicht, geht unter. Bund, Länder und Gemeinden haben seit Jahrzehnten keine wirkliche Verwaltungsreform gemacht. Seit 60 Jahren hat sich eine Bürokratie etabliert. Es ist lächerlich zu sagen, man müsse alle Bundesbeamten kündigen, um fünf Milliarden einzusparen. Wir reden ja nicht nur von Personalkosten im Bund, sondern von Spitalsreform, Pensionsreform, dem Abbau von Privilegien. Aber da fehlt offenbar der politische Wille. Der Rechnungshofpräsident Moser hat einmal gesagt, er zieht jetzt seine Beamten von den Reform-Arbeitsgruppen ab, weil dort mangels politischer Beschlüsse nichts weitergeht. Man muss ein Ziel und einen Fahrplan festlegen. Wir schlagen vor, fünf Milliarden laufende Jahreseinsparungen bis 2015 anzustreben. Und ab 2016 eine echte Schuldenbremse nach Schweizer Muster.

Schieder: Von 2006 bis 2010 sind im Bereich der Unternehmensverwaltungskosten 560 Millionen Euro geschätztermaßen eingespart worden. Der Abbau von 2500 Planstellen im Bund, das sind auch wiederum 300 Millionen Personalkosten.

STANDARD: Interessanterweise steigen die Personalkosten überproportional, obwohl Sie dauernd von Stellenkürzungen reden.

Schieder: Das hängt mit dem Dienstrecht zusammen. Eine Reform in dem Modell, wie es ursprünglich diskutiert war, hätte geheißen, höhere Anfangskosten. Solange diese Aufbringbarkeit nicht gegeben ist, ist es eine schwierigere Diskussion. Ein weiteres Beispiel ist der Pflegefonds, auch ein Zukunftsthema, für das wir dringend Geld brauchen. Von 280 pflegegeldauszahlenden Stellen ist es mit der gerade beschlossenen Schaffung des Pflegefonds und der Vereinheitlichung der Pflegegeldauszahlung beim Bund auf eine Stelle reduziert.

STANDARD: Die Frage ist, ob man nicht viel tiefer in die Kompetenzen und Instanzenzüge einschneiden sollte oder müsste.

Schieder: Die Bundesebene ist die, die auch die Vertretung gegenüber der EU wahrnimmt und die Gesetzes- und Verfassungskompetenz hat, die Gemeinden sind die, die vor Ort die Dienstleistungen organisieren. Es ist die Frage, welche Aufgabe die Ebene dazwischen in Zukunft haben soll, um es einmal wertfrei zu formulieren. Die Landesebene ist die, deren Aufgabenstellung gerne von anderen Leuten infrage gestellt wird. Ich glaube nur, bevor wir weiterhin über die Staatsreform im Großen diskutieren, ist es wichtig, diese Verwaltungsreformschritte im Kleinen durchzuführen. Auch da kann man versuchen, gesetzliche Doppelgleisigkeiten zu identifizieren und abzubauen. Wir haben im Zuge des Loipersdorf-Pakets einige Bereiche schon ausgemacht. Ich bin privat nicht der Meinung, dass wir alle Ebenen unbedingt erhalten müssen. Ich glaube aber, es ist nicht sinnvoll, die Verwaltungsreform damit so zu überladen, dass dadurch eigentlich nichts weitergeht.

Bauer: Das ist Klein-Klein.

Schieder: Das ist nicht Klein-Klein. Wir machen Dinge in der Schulverwaltung, beim Lehrerdienstrecht, in der Gesundheit und vieles mehr.

Bauer: Lehrerdienstrecht ist ein großer Punkt, aber noch nicht gelöst. Die Reform des Beamtendienstrechts wird plötzlich gestoppt. Das ist ja unmöglich. Da ist ein zentraler Punkt sofort wieder weg. Und was ist mit der Pensionsreform im öffentlichen Dienst in Ländern wie Wien? Der Herr Bürgermeister hat gesagt, da wird er nicht einwilligen. Und da sagt die Bundesregierung nichts dazu?

Schieder: Das ist in Wien insofern anders, weil es hier um Gemeindebedienstete und nicht um Landesbeamte geht. Das trifft die Müllmänner, Krankenschwestern und so weiter.

Bauer: Es gibt auch Landesbeamte im Rathaus, die nicht Müllmänner sind. Der Punkt ist: Wenn kein Ziel und kein Terminplan festgelegt werden, wird ewig weitergewurstelt.

STANDARD: Das wäre ein schönes Schlusswort für den Herrn Staatssekretär:Wie viel wollen Sie in der Verwaltung über welchen Zeitraum einsparen?

Schieder:Es ist eine Vielzahl von Projekten in Arbeit. Ich halte nichts von einem rein monetären Einsparungsziel. Es geht darum, strukturelle Verbesserungen zu erzielen. Man kann mit den gleichen Ressourcen auch zusätzliche Leistungen oder diese rascher erbringen. (Andreas Schnauder, STANDARD-Printausgabe, 3.5.2011)