Screenshot: derStandard.at

 

Es ist eine in Tageszeitungen und Magazinen übliche Arbeitsteilung: Fachredakteure recherchieren und schreiben ihre Artikel im Blattinneren, und der Chefredakteur – oder die Chefredakteurin – kommentiert das Thema. Das funktioniert oft sehr gut – vorausgesetzt, der Chef/die Chefin kennen sich mit der Materie aus und informieren sich ausführlich, bevor sie sich hinsetzen und schreiben.

Im Nachrichtenmagazin Profil, einst eines der wichtigsten Stimmen des Landes, läuft das anders. Vorne verfasst Christian Rainer einen – als Frage verbrämten – Appell für einen Ausstieg Österreichs aus dem Euro, der ganz nach dem Geschmack von FPÖ und BZÖ ist. Der Euro habe Länder wie Österreich an verantwortungslose und verlogene Staaten wie Griechenland gekettet und damit ein massives Risiko geschaffen, behauptet er, und verweist dabei auf den Artikel seiner Redakteurin Christina Hiptmayr.

Allerdings findet man in ihrer ausgezeichneten Analyse kein einziges Argument, das Rainers These belegt. Im Gegenteil: Wie Hiptmayr ausführt, ist die Eurokrise in erster Linie eine europäische Bankenkrise. Europas Großbanken haben hunderte Milliarden an Staatspapieren der überschuldeten Staaten Griechenland, Irland und Portugal auf ihren Büchern.

Ein Zahlungsausfall oder gar nur eine deutliche Schuldenreduktion würde diese Banken sofort ins Wanken bringen, sie müssten dann erneut vom Steuerzahler aufgefangen werden. Deshalb versuchen Angela Merkel, Nicholas Sarkozy & Co. verzweifelt, die Schuldnerstaaten direkt zu stützen, weil sie hoffen, dass dies billiger kommt.

Immer mehr Analysten zweifeln, dass diese Strategie aufgehen kann – vor allem im Falle Griechenlands. Sie plädieren für einen Schuldenerlasse, einen „Haircut“.

Allerdings: Mit der Frage, ob der Euro bleibt oder Österreich im Euro bleibt, hat dies überhaupt nichts zu tun. Auch wenn sich die Gemeinschaftswährung auflöst – oder Österreich einseitig aussteigt und den Schilling wieder einführt – würde sich die Last fauler Staatsschulden in den Bankbilanzen um keine Spur reduzieren.

Im Gegenteil: Ein Euro-Zerfall würde den Wert dieser Papiere weiter in den Keller rasseln lassen und die Banken noch mehr gefährden.

Mit einem Federstrich verwirft Rainer auch das Argument, dass ohne Euro die Lage noch labiler wäre. Nun lassen sich hypothetische Situationen nie belegen. Aber eines ist bekannt: Auch vor der Euro-Einführung waren Europas Südländer hochverschuldet – und die größten Gläubiger waren andere europäische Banken. Allerdings war damals das Risiko etwas besser eingepreist – nicht die Gefahr eines Staatsbankrotts, aber einer Abwertung.  

Dass Staatsanleihen bei der Einführung des Euro für die Bankbilanzen offiziell für risikolos erklärt wurden, war der wahrscheinlich größte Geburtsfehler der Währungsunion. Erstaunlich, dass dieses Manko in den ganzen Jahren seit 1999 von niemandem öffentlich angeprangert wurde. Aber die Folgen davon lassen sich mit einem Euro-Ausstieg nicht mehr korrigieren. Und den gleichen Fehler werden Europas Banken in Zukunft nicht mehr machen – dafür allerdings wohl andere.

Wie man aus dieser Faktenlage ein Plädoyer für einen Euro-Ausstieg konstruieren kann, ist völlig unverständlich – außer, Rainer hat weder den Artikel gelesen noch sich in anderen seriösen Quellen informiert. Aber eine solche Recherche wäre seiner so spannend klingenden These in die Quere gekommen.

Solche Kommentare sind gefährlich: Denn wenn in Deutschland, Finnland – dank der „wahren Finnen“ – oder auch Österreich die Bürger dem Euro-Rettungsschirm die Unterstützung entziehen, dann haben wir erst recht jene gewaltige Finanzkrise, vor der sich alle fürchten. Nicht einmal die „Bild-Zeitung“ argumentiert für das Ende des Euro.

Rainer hingegen kann auch bei anderen Themen keiner populistischen Versuchung widerstehen und glaubt, dass er besonders cool wirkt, wenn er wie ein etwas besser gebildeter Heinz-Christian Strache klingt.

Zum Glück hat seine Stimme im öffentlichen Diskurs wenig Gewicht. Aber sein Ausritt zeigt, wie leicht auch eine pseudo-intellektuelle Schickeria bei Währungs- und Finanzthemen in die Populismusfalle rutscht.