Bregenz - Seit den 1990er-Jahren wird in Deutschland um Ärztinnen und Ärzte für österreichische Krankenhäuser geworben. In Österreich war damals wie heute der Bedarf an Fachärzten groß, in Deutschland der Ärger über schlechte Arbeitsbedingungen. Letzteres hat sich geändert, die deutschen Gesundheitspolitiker und Krankenhausträger haben aus der Abwanderung gelernt.

"Die Proteste der deutschen Kollegen haben zu besseren Arbeits- und Gehaltsbedingungen geführt, der Zustrom aus Deutschland ist versiegt", sagt Burkhard Walla, Vize-Präsident der Vorarlberger Ärztekammer. Der Vertreter der Krankenhausärzte bemerkt eine Trendumkehr: "Junge Kolleginnen und Kollegen gehen nach Deutschland, um dort ihren Facharzt zu machen." Was die Situation an Vorarlberger Spitälern weiter verschärfe: "Wir haben große Probleme bei der Nachbesetzung von Facharztstellen." Zahlen der Ärztekammer Österreich bestätigen Wallas Beobachtung: Aktuell arbeiten in Österreich 1600 deutsche Ärztinnen und Ärzte, in Deutschland 2500 österreichische.

Wegen der Gegend

Warum wandern deutsche Ärzte ins Nachbarland ab? "1993 bin ich zum ersten Mal nach Vorarlberg gekommen, weil da massiv die Werbetrommel gerührt wurde", erinnert sich Bert Grießhammer, Oberarzt am Landeskrankenhaus Bregenz. "Damals waren an einzelnen Abteilungen mehr deutsche als österreichische Oberärzte, inzwischen haben wieder die Österreicher die Majorität."

Der Internist ging nach einem Jahr wieder nach Deutschland zurück, weil es für den auf Gastroenterologie spezialisierten Mediziner in Vorarlberg noch nicht das passende Arbeitsumfeld gab. Vor sieben Jahren probierte er es zum zweiten Mal und blieb als Pend- ler - "aber nicht wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in Deutschland, sondern wegen der Gegend am Bodensee", bestätigt Grießhammer den Slogan vom "Arbeiten, wo andere Urlaub machen".

Die Landschaft sei für viele ein entscheidendes Argument, einen Arbeitsplatz im Vier-Länder-Eck zu suchen, sagt Gerald Fleisch, Geschäftsführer der Krankenhaus-Betriebsgesellschaft. "Die Vorarlberger Krankenhäuser sind auf Migranten angewiesen", sagt der Manager, "ohne sie würde das Unternehmen nicht funktionieren." Menschen aus 41 Nationen arbeiten in den Gesundheitsbetrieben. "Migration ist für uns an der Grenze zu drei Nachbarländern ein ständiges und spannendes Thema. Wir profitieren davon, durch Wissenstransfer und kulturelle Einsichten."

Die größte Migrantengruppe ist jene der Deutschen, 238 arbeiten an Vorarlberger Krankenhäusern, 61 davon als Ärztinnen und Ärzte. Ressentiments gegen deutsche Kollegen gebe es nicht, ist Gerald Fleisch überzeugt. Bert Grießhammer ist sich da nicht so sicher: "Insgeheim wird das Klischee vom arroganten deutschen Besserwisser schon noch strapaziert. Manche Kollegen meinen auch, nach Österreich komme nur, wer in Deutschland gescheitert sei. Offen ausgesprochen werden solche Vorurteile aber nicht." (Jutta Berger, DER STANDARD; Printausgabe, 30.4./1.5.2011)