Der 30. April ist eigentlich ein Grund zum Feiern: An diesem Tag sind die Bürger der neuen EU-Mitgliedsstaaten, die 2004 beigetreten sind, endlich als vollwertige Mitglieder in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Österreich und Deutschland heben die Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt nach sieben Jahren auf. Damit ist die Osterweiterung fast vollzogen, denn für die erst 2007 beigetretenen Rumänen und Bulgaren heißt es noch warten. 

Aber weder in Deutschland noch in Österreich wird es zu Feierszenen kommen. Damit wurden zwar Peinlichkeiten vermieden - wie bei der Erweiterung des Schengenraums am 20. Dezember 2007, als sich mit Ausnahme von Franz Voves kein Landeshauptmann traute, am Abbau der Grenzbalken teilzunehmen. "Es gibt nichts zu feiern", beschied damals der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl. Boulevardzeitungen wie Österreich hatten davor gewarnt, dass bewaffnete Banden nun ungehindert eindringen könnten. Auch diesmal zeigen sich Blätter wie Heute alarmiert: "Tausende Osteuropäer wollen in Österreich einen Job suchen", titelte die Gratiszeitung.

Dabei sind längst 90.000 Arbeitskräfte aus diesen Ländern da. Sie arbeiten legal in Österreich, im Burgenland kommt bereits jeder zehnte Arbeitnehmer aus Ungarn. Die Osteuropäer konzentrieren sich auf die Bereiche Baugewerbe, Handel, Tourismus und Pflegeberufe - anstrengende Tätigkeiten mit geringem Prestige und relativ schmaler Entlohnung, denen viele Österreicher nicht mehr nachgehen wollen. 

Wer will, ist also längst da. Wer nicht warten wollte, ist in eines der 13 EU-Länder gezogen, die keine Blockade aufgezogen haben. Warum sollten eigentlich Ausländer in ein Land ziehen, in dem ihnen signalisiert wird, dass sie nicht willkommen sind? Das gilt auch für die am Freitag vom Nationalrat beschlossene Rot-Weiß-Rot-Card. Österreich ist eines der letzten EU-Länder, das sich um qualifizierte Arbeitskräfte außerhalb der EU bemüht. Kaum ist die Regelung in Kraft, werden viele Facharbeiter gleich von der nun beschlossenen Regelung ausgenommen. 

Die Politiker haben Angst, das Thema aktiv anzugehen. Österreich braucht Zuwanderung, alleine schon wegen der Überalterung. Das Land ist auch gut auf die Arbeitsmarktöffnung vorbereitet. Das im März beschlossene Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping bringt nach Einschätzung des Sozialministeriums 4000 neue Jobs, weil auch österreichische Firmen gezwungen werden, gemäß dem Kollektivvertrag zu zahlen. 

Laut Schätzungen sollen rund 15.000 weitere Arbeitskräfte aus Osteuropa kommen. Das ist für den Arbeitsmarkt verkraftbar. Der Hotellerieverband will in den neuen EU-Ländern sogar mit Broschüren in den Landessprachen Jobs anpreisen. 

Die meist überdurchschnittlich gut ausgebildeten Arbeitsmigranten aus Osteuropa bleiben im Durchschnitt drei bis vier Jahre und tragen mehr zum Sozialsystem bei, als sie beanspruchen. Die deutsche Bundesagentur für Arbeit rechnet für Österreich mit einem Nettoeffekt von 900 Millionen Euro über zehn Jahre. Das sollte allein Grund zum Feiern sein und nicht Anlass für Angstmache.

Politiker sollten sich an der Wirtschaft, die die Ostöffnung genutzt hat, ein Beispiel nehmen und offensiv für Zuzug werben. Sonst überlassen sie Angstmachern wie Strache die Bühne. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD; Printausgabe, 30.4./1.5.2011)