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Misshandelt und angeklagt: Andrej Sannikow.

Foto: AP/dapd/Sergei Grits

Minsk/Moskau/Wien - Babynahrung, Windeln, Hygieneartikel und Reinigungsmittel seien bereits Mangelware in Weißrussland, die Importeure hätten keine Devisen mehr, berichtete am Freitag die russische Agentur Ria Nowosti. Aber auch bei heimischen Konsumartikeln sei die Lage instabil, die Preise änderten sich täglich. Viele Geschäfte hätten tageweise geschlossen.

Die Wirtschaftskrise hat sich weiter verschärft. Vor diesem Hintergrund geht der diktatorisch regierende Präsident Alexander Lukaschenko noch härter gegen die Opposition vor. Am Mittwoch begann mit dem Prozess gegen Andrej Sannikow eine Serie von Verfahren gegen ehemalige Präsidentschaftskandidaten wegen angeblichen Aufrufs zu gewaltsamen Protesten nach der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos am 19. Dezember.

Sannikow erhielt im Jahr 2005 den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis. Was er damals in einem Standard -Interview in Wien sagte, klingt heute wie bittere Ironie: "Vergessen wir unsere Ängste und begreifen wir, dass wir eine bessere Zukunft haben können." Später gründete Sannikow die Oppositionswebsite Charter 97.

Nach seiner Festnahme wurde Sannikow von Sicherheitsbeamten schwer misshandelt. Noch schlimmer erging es dem Präsidentschaftskandidaten Wladimir Neklajew, der brutal zusammengeschlagen wurde. Er leidet noch immer an den Folgen.

Sannikows Aussagen vor Gericht lassen darauf schließen, dass die Umleitung der Oppositionskundgebung am 19. Dezember vor das Regierungsgebäude in Minsk und die Zerstörung der Eingangstür und von Fensterscheiben von der Polizei provoziert wurde. Sannikow drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Am Tag des Prozessbeginns verfügten die Behörden die Schließung von zwei Oppositionszeitungen. Die Blätter hatten zuletzt über die vielen Widersprüche bei der Aufklärung des Bombenanschlags in der Minsker Metro am 11. April (14 Tote) berichtet. Gegen drei Inhaftierte, die angeblich gestanden haben, wurde am Freitag Anklage erhoben. Sie hätten das Land destabilisieren wollen, heißt es in der Anklageschrift. Die Hintergründe sind völlig unklar. Nicht nur in Oppositionskreisen zirkulieren Spekulationen über gezielten Staatsterror zur Einschüchterung der Bevölkerung. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 30.4/1.5.2011)