Griechenland ist den Bach hinuntergegangen, weil dort a) jahrzehntelang fast niemand Steuer gezahlt hat; weil b) der Staat ein riesiges Klientelwesen mit einem überdimensionierten Beamtenapparaten und einem Pensionistenparadies eingerichtet hat; und c) all das auf Schulden finanziert wurde, bis es nicht mehr ging.

In Österreich ist nur Punkt a) ganz anders. Hier werden Steuern (und Sozialabgaben) gezahlt, allerdings von einer schrumpfenden Schicht: Von 6,4 Millionen Einkommensbeziehern - Aktiven und Pensionisten - zahlen 2, 7 Millionen (42 Prozent) keine einkommensbezogenen Steuern.

Punkt b) und c) bewegen sich in Richtung Hellas. Es existiert ein gewaltiges Klientelwesen - Frühpensionisten, Bauern, Beamte, Bedienstete der ÖBB, Bezieher undurchsichtiger Förderungen. Die Kosten dafür steigen rasant. So steigen z. B. die Zuschüsse des Staates zur gesetzlichen Pensionsversicherung 2011 auf knapp zehn Milliarden Euro. Mit den Beamtenpensionen wendet der Staat schon rund 25 Prozent seiner Ausgaben für die Pensionen auf. Das alles wird zu einem immer größeren Teil auf Schulden finanziert. Die Zinsen dafür machen derzeit 8,3 Milliarden aus, mehr als das gesamte Bildungsbudget. Heuer gehen 37 Prozent aller Staatsausgaben auf Pensionen und Zinsendienst drauf, 2013 werden es 39 Prozent sein. Forschung und Entwicklung, Bildung und andere Zukunftsinvestitionen können sich brausen gehen. Österreich investiert - auf Schulden - in die Vergangenheit.

Welche zukunftsweisenden Ansagen haben wir dazu von Spitzenvertretern der neu formierten Koalitionsregierung?

Bundeskanzler Werner Faymann sagte schon früher, er sei gegen eine Verwaltungsreform, denn da gingen ja Arbeitsplätze verloren. Aktuell meinte er, die rasante Vergriechenlandisierung Österreichs sei durch "sozial gerechte Einnahmen" zu stoppen. Darunter ist eine Steuer auf die zu verstehen, die sich im Leben etwas geschaffen haben, um weiter die Frühpensionistenscharen und den geschützten Sektor (ÖBB, Gemeindebedienstete) alimentieren zu können.

Die neue Finanzministerin Maria Fekter hat die richtigen konservativen Schlüsselbegriffe angesprochen: Sie sei eine Hüterin des Geldes der Steuerzahler, Schulden seien pfui, und sie wolle "Anwältin der Leistunsgträger" sein. In ihrer Strategie seien keine neuen Steuern enthalten.

Aber auch sie hat bereits eine Absage an den Abbau unnötiger (Länder-)Strukturen erteilt, auch sie wird sich mit den Bundesländern nicht wirklich anlegen, und ob sie es zusammenbringt, die Dynamik bei den Pensionen und den Einkommen der Bürokratie zu bremsen, ist angesichts der realen Situation in der ÖVP fraglich. Die Partei betreibt eine Kernschichtenstrategie und die Kernschicht sind eben die Beamten und die Bauern.

Fekter kann so "tough" sein, wie sie sich gibt und wie sie will, aber der Punkt ist, ob sie die Grundsituation verstanden hat: um Österreichs Vergriechenlandisierung (nicht nur finanziell) zu stoppen, bedarf es eines Mentalitätswechsels, zunächst einmal an der Spitze der Regierung. (Hans Rauscher, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 30.4.2011)