Brüssel - Ein unerwartet kräftiger Anstieg der Inflation in der Euro-Zone erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) für eine rasche Zinserhöhung. Die Verbraucherpreise zogen im April zum Vorjahr um durchschnittlich 2,8 Prozent an, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag in Brüssel nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. Das ist der stärkste Preisanstieg seit Oktober 2008. Experten hatten damit gerechnet, dass die Teuerungsrate vom März von 2,7 Prozent im April unverändert bleibt.

"Die heutigen Zahlen werden denjenigen im EZB-Rat Rückenwind geben, die auf eine schnellere Normalisierung der Geldpolitik drängen", sagte Commerzbank-Analyst Ralph Solveen. Die EZB werde spätestens im Juli, vielleicht sogar schon im Juni, die Zinsen weiter erhöhen.

Die Zentralbank hatte im April erstmals seit drei Jahren den Leitzins angehoben und das mit der anziehenden Teuerung begründet. Stabile Preise sehen die Währungshüter um Jean-Claude Trichet mittelfristig bei einer Inflation von knapp unter zwei Prozent gewährleistet. In Deutschland liegt die Teuerungsrate bei 2,4 Prozent, für den europäischen Vergleich bei 2,6 Prozent.

Details zur Inflation in der Euro-Zone legen die Statistiker erst Mitte Mai vor, aber nach Ansicht von Experten dürfte erneut teure Energie der Hauptantrieb hinter dem Preisdruck sein. Allerdings gehen immer mehr Fachleute davon aus, dass die Preise langsam auch auf breiter Front zulegen. "Je länger sich die Inflationsrate auf einem erhöhten Niveau behauptet, desto größer wird das Risiko, dass sich der von den Energiepreisen ausgehende Impuls durch die Preiskette arbeitet und sich die Inflation auf höherem Niveau verfestigt", sagte Postbank-Ökonom Heinrich Bayer.

Experten erwarten Zinserhöhung im Juli

Für die nächste Zinssitzung am 5. Mai rechnen alle 76 Analysten aber damit, dass die Notenbank ihr Pulver noch trocken hält. Die meisten Experten erwarten die nächste Zinserhöhung erst im Juli. "Zuletzt ist sogar das Risiko gestiegen, dass diese bereits im Juni erfolgen wird und EZB-Präsident Trichet auf der Pressekonferenz in der kommenden Woche das entsprechende Signal geben wird", sagte Commerzbank-Experte Solveen. Er verwies auf andere EZB-Daten, die eine moderate Erholung des Geldmengen- und Kreditwachstums in der Euro-Zone signalisierten.

Die Kreditvergabe der Banken stieg im März etwas weniger als erwartet. Die Summe der an Firmen und private Haushalte ausgereichten Darlehen legte im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozent zu, wie die EZB mitteilte. Von Reuters befragte Analysten hatten ein Plus von 2,8 Prozent erwartet. Im Februar hatte es einen Anstieg um 2,6 Prozent gegeben.

Die für die Zinspolitik der EZB wichtige Geldmenge M3 wuchs hingegen um 2,3 Prozent und damit stärker als im Vormonat (2,1 Prozent) und auch stärker als von Experten erwartet (2,1 Prozent). "Die Rate ist die höchste seit August 2009, sie ist aber weiterhin sehr niedrig", betonte Bayer. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (Jänner bis März) erhöhte sich M3 um 2,0 Prozent. M3 umfasst unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit bis zu zwei Jahren Laufzeit. (APA/Reuters)