Nürnberg - Mit der Frühjahrsbelebung und dem Schwung der guten Konjunktur fällt die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf jahrzehntealte Rekordmarken. Der Aufschwung setzte sich im April mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahl um 132.000 auf noch 3,078 Millionen fort, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte. Das ist die geringste Arbeitslosenzahl in einem April seit 1992. "Es ist zu erwarten, dass es im Mai unter die drei Millionen geht", sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Der Arbeitsmarkt profitiere vom stabilen Aufschwung der Wirtschaft. Die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl unterschritt mit 2,970 Millionen erstmals seit Juni 1992 die Drei-Millionen-Marke.

Weise wie auch Banken-Volkswirte zeigten sich überzeugt, dass sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit fortsetzen wird. "Man kann sagen, dass die Auswirkungen der Krise weitgehend überwunden sind", sagte Weise. "Es bleiben aber ernstzunehmende Risiken." In den USA hätten das Defizit im Staatshaushalt und die Unterbeschäftigung ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erreicht. Auch Volkswirte verwiesen auf die Risiken für die Konjunktur durch den Ölpreis und den starken Euro, der die Exporte belasten könne. Andreas Scheuerle von der DekaBank sprach dagegen von "ganz hervorragenden Zahlen" vom Arbeitsmarkt: "Sie tun dem Haushalt und den Konsumenten gut."

Die Krise nach Erdbeben, Tsunami und Atom-Katastrophe in Japan schlägt sich bisher auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum nieder. "Aktuell befinden sich etwa 1.000 Menschen in Kurzarbeit wegen der Japan-Krise", sagte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker.

Zähltag vor Ostern

Der Rückgang der Arbeitslosenzahl fiel etwas schwächer aus als im Vorjahr, lag aber über dem Drei-Jahres-Durchschnitt für April. Die BA erklärte dies damit, dass der Zähltag vor Ostern war. Viele Arbeitgeber warteten mit Einstellungen die Ferienzeit ab. Insgesamt waren 321.000 Arbeitslose weniger registriert als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote beträgt 7,3 Prozent. Von der Belebung profitieren aber nicht alle gleichermaßen: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist leicht gestiegen, weil ihre Zahl langsamer sinkt als die Arbeitslosigkeit insgesamt. Auch Ältere ab 60 Jahren profitieren in geringerem Umfang.

Nach BA-Hochrechnungen gab es im Februar 699.000 sozialabgabenpflichtig Beschäftigte mehr als ein Jahr zuvor. Zwei Drittel davon entfielen auf Vollzeitjobs. Die größten Zuwächse verzeichneten die Zeitarbeit, wirtschaftliche Dienstleistungen, das Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch das Verarbeitendes Gewerbe und der Handel.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nannte den Rückgang "unspektakulär, aber solide". Im Augenblick sei der Arbeitsmarkt "aufnahmefähig wie ein Schwamm". Der freie Zugang für Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU-Staaten zum deutschen Arbeitsmarkt ab 1. Mai sei eine große Chance, "einen Teil der Fachkräftelücke zu füllen". Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erklärte, es werde immer wichtiger, die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu erleichtern. Auch Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte "ein an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientiertes Zuwanderungsrecht".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von einem "stark gespaltenen Arbeitsmarkt". Immer mehr Menschen fielen in die Niedriglohnfalle, sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki. Auch die Linken-Arbeitsmarktpolitikerin Sabine Zimmermann erklärte, der "viel gelobte Aufschwung am Arbeitsmarkt ist vor allem ein Aufschwung von Minijobs, Leiharbeit und anderen Formen prekärer Beschäftigung". Die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer forderte, die Qualifizierung von Arbeitslosen zu verbessern: "Die Entwicklung hin zu einem Fachkräftemangel bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit muss gestoppt werden." (APA/Reuters)