Zuletzt war wirklich um jede einzelne Ortstafel gerungen worden: Geworden sind es 164.

Und es war darum gerungen worden, wer ohne Gesichtsverlust aus den Verhandlungen kommt. Interessanterweise waren zuletzt vor allem die Slowenenvertreter unter Druck geraten, insbesondere der Rat der Kärntner Slowenen unter der Führung von Valentin Inzko. Der hatte sich am längsten gegen den Kompromiss gestemmt.

Der Druck auf die Slowenenvertreter war auch deshalb gewachsen, weil Kärnten und Österreich endlich eine Lösung dieser leidigen Frage haben wollten. Es war zum Schämen und zum Fremdschämen. Und da sich nach Jahrzehnten endlich die Kärntner Politiker bewegt hatten, erwartete man auch von den Betroffenen selbst, dass sie sich bewegen. Wenn es sein muss, mehr als alle anderen.

Tatsächlich haben sich Landeshauptmann Gerhard Dörfler und die Freiheitlichen in Kärnten ein bisschen bewegt, was als unglaubliche Leistung gefeiert wurde, weil die Erwartungshaltung nach den ständigen Enttäuschungen denkbar bescheiden war.

Die Kärntner Slowenen dagegen haben sich wirklich bewegt, für manche über die Schmerzgrenze hinaus. Sie haben nicht auf einer Zehn-Prozent-Grenze beharrt, die man ihnen auch zugestehen hätte können. Sie sind weit hinter diese Forderung, die realpolitisch nicht durchsetzbar war, zurückgegangen.

Man muss es so sehen: Es waren keine Verhandlungen unter Freunden. Für Inzko war es sicher nicht immer leicht, Dörfler auszuhalten. Und umgekehrt. Zwischen den beiden sind Gefühlswallungen aufgetreten, die zwischen Ablehnung, Verachtung und Feindschaft anzusiedeln sind.

Was von den Politikern in den vergangenen Jahrzehnten angerichtet wurde, lässt sich nicht mit einem Handschlag, einer Unterschrift, auch nicht mit dieser Einigung wegwischen. Und wieder lassen sich die Freiheitlichen zu einem Sabotageakt hinreißen, setzen einen letzten Akt der Demütigung: Dörflers Partei besteht auf einer Volksbefragung in Kärnten, auf einer Abstimmung der Mehrheit über die Rechte der Minderheit. Im besten Fall wird die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung der slowenischen Minderheit generös ihre verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte gestatten, nämlich 164 zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Ein überaus peinlicher Gnadenakt.

Aber es wird auch welche geben, die dagegenstimmen: Die Missgünstigen und die Neidvollen erhalten noch einmal die Gelegenheit, werden geradezu dazu angespornt, sich zu ihrer Kleingeistigkeit zu bekennen und ihren dumpfen Ressentiments Ausdruck zu verleihen - mit dem erklärten Segen der freiheitlichen Politiker.

Bis die Aufräumungsarbeiten beendet sind, wird es noch Jahre dauern, bei manchen vielleicht Jahrzehnte. Es geht ja nicht nur darum, keinen Unterschied zwischen deutschsprachigen Kärntnern und Kärntner Slowenen zu machen. Es geht darum, genau diesen Unterschied zu machen und diesen Unterschied zu respektieren und zu schätzen, wenn geht, ihn zu mögen. Auf beiden Seiten. Beide Volksgruppen machen Kärnten aus, und das macht Kärnten besonders.

Die Einigung, die Staatssekretär Ostermayer den beiden Seiten am Dienstag entrissen hat, macht auf dem Papier vieles leichter. Wenn man die Kärntner damit nur nicht überfordern würde: Das gehörte jetzt auch mit Leben erfüllt. (Michael Völker, DER STANDARD; Printausgabe, 28.4.2011)