New York/Damaskus / Wien - Keine arabische Revolte gleicht der anderen - und auch die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Im Uno-Sicherheitsrat in New York, der im März mit Resolution 1973 das militärische Eingreifen in Libyen autorisiert hat, ist eine einheitliche Haltung zu den Vorgängen in Syrien nicht in Sicht. Nicht einmal, ob eine Verurteilung des brutalen Vorgehens des Regimes zustande kommt, war zu Wochenmitte sicher, und von Sanktionen war noch keine Rede.

Sie könnten von US- und EU-Seite trotzdem auf Syrien zukommen. Menschenrechtsgruppen sprachen am Mittwoch von bisher 453 Toten seit Beginn des Aufstands, die staatliche Offensive gegen Oppositionelle ging weiter. In Deraa im Süden des Landes wurden die Truppen verstärkt.

Selbst jene Länder im Sicherheitsrat, die eine scharfe Gangart gegen Syrien wünschten, müssen eingestehen, dass eine Intervention außerhalb der Möglichkeiten liegt, politisch wie militärisch. War Libyen völlig isoliert - weshalb das internationale Eingreifen auch keine politischen Verwerfungen in der Region und darüber hinaus erzeugt -, ist Syrien in fast alle regionalen Zusammenhänge verstrickt. Das war ja immer die Stärke des Regimes dieses Landes, dessen Parameter es eigentlich in die Bedeutungslosigkeit verweisen würden. Und wie immer die Sache ausgeht, es hat Implikationen - für Israel, die Palästinenser, Iran, Libanon, Irak und Türkei.

Zum Beispiel Libanon, derzeit nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat: Hat im März Libanon die Libyen-Resolution im Namen der Arabischen Liga mit eingebracht, so bekam der libanesische Botschafter bei der Uno, Nawaf Salam, von seinem Außenminister die Anweisung, sich im Fall Syrien der Stimme zu enthalten. Der Libanon steckt noch immer in der Regierungsbildung, die erstmals ein Kabinett an die Macht bringen wird, das von der iranisch-syrisch gesponserten Hisbollah und ihren Alliierten gestützt wird. Auch jene, die gegen diese Regierung sind, und ihre Verbündeten - wie etwa Saudi-Arabien - haben Angst vor einer Destabilisierung des Libanon.

Schwer zu überzeugen werden auch Russland und China sein, die bei Libyen überraschend sang- und klanglos auf ihr Veto verzichtet haben. Sie waren mit dem Verlauf, den die Libyen-Intervention danach genommen hat, sehr unzufrieden. Für wirkliche Konsequenzen ist Libyen, und was die Nato dort macht, ihnen aber nicht wichtig genug. Einer Wiederholung in Syrien werden sie jedoch nicht so leicht zustimmen.

Für die Arabische Liga war Libyen ein Sonderfall: die Vehemenz der Angriffe auf die Rebellen, die sofort Kriegscharakter hatten, und Muammar al-Gaddafis Verhalten. Nachdem Syriens Präsident Bashar al-Assad der Opposition - vermeintlich oder real - entgegengekommen ist, sehen etliche arabische Länder seine Offensive als legitim an, auch wenn sie nicht mit ihm sympathisieren. Ihnen kann das nämlich auch passieren. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2011)