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Demonstration am Dienstag in Banias.

Foto: REUTERS/Handout

New York/Washington/Damaskus - Auf dem Autobahnring um Damaskus sind am Mittwoch mindestens 30 syrische Panzer auf Tiefladern transportiert worden. Augenzeugen berichteten, der aus Südwesten kommende Konvoi habe sich gegen 07.00 Uhr (MESZ) in Richtung des Vororts Duma und nach Daraa im Süden des Landes bewegt. Dort gehen Regierungstruppen gewaltsam gegen Demonstranten vor, die gegen die autokratische Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad protestieren. Seit Beginn der Proteste im März wurden nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation 453 Zivilisten getötet.

Rund um Damaskus sind Einheiten der Republikanischen Garde stationiert, einer vom Präsidentenbruder Maher al-Assad befehligten Elitetruppe. Eine weitere mechanisierte Division hat ihren Stürzpunkt 20 bis 30 Kilometer südwestliche der Hauptstadt. Sie ist für die Verteidigung der Golan-Grenze zu Israel zuständig, an der es seit 1974 ruhig ist.

Bisher mehr als 450 Tote

Beim gewaltsamen Vorgehen der syrischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sind nach Angaben von Menschenrechtlern seit Mitte März mindestens 453 Menschen getötet worden. Ihm liege eine entsprechende Liste mit den Namen der Opfer und den Orten vor, an denen sie getötet worden seien, sagte der Chef der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) mit Sitz in London, Rami Abdel Rahmane, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Demnach starben die meisten Menschen in der südlichen Stadt Daraa.

Ban verurteilt Gewalt gegen Demonstranten

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat die anhaltende Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Syrien erneut auf das Schärfste verurteilt. Vor Journalisten geißelte Ban am Dienstagabend in New York besonders den Einsatz von Panzern und Scharfschützen, "die Hunderte von Menschen getötet und verletzt haben". Zuvor hatte der UNO-Chef mit dem Sicherheitsrat über die Lage in Syrien und mögliche Maßnahmen gegen Präsident Bashar al-Assad beraten.

Trotz des zunehmend gewaltsamen Vorgehens der syrischen Sicherheitskräfte hat sich die internationale Gemeinschaft bisher nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen können. Der Sicherheitsrat beriet am Dienstagabend über die Situation in Syrien, vertagte die Gespräche jedoch im Anschluss.

Ban erklärte in New York seine "zunehmende Besorgnis" angesichts der Niederschlagung der Proteste. Die syrischen Behörden seien verpflichtet, Zivilisten zu schützen. Er schließe sich dem Aufruf der UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay zu einer unabhängigen Untersuchung an.

Die Beratungen des Sicherheitsrates sollten am Mittwoch fortgesetzt werden. Ob eine Erklärung abgegeben wird, hängt vor allem von Russland und China ab, die Initiativen zumeist ablehnen, die sie als Einmischung in die Angelegenheiten eines Staates empfinden. Chinas UNO-Botschafter Li Baodong erklärte, er poche auf eine "politische Lösung". Der deutsche UNO-Botschafter Peter Wittig sagte, die "verstörenden Ereignisse" in Syrien bedürften der Aufmerksamkeit des Sicherheitsrates.

Vorerst kein internationales Eingreifen

Ein internationales Eingreifen wie in Libyen halten Großbritannien und die USA derzeit nicht für möglich. "Es gibt praktische Grenzen hinsichtlich dessen, was unsere Länder tun können, auch wenn wir es gerne tun würden", sagte der britische Verteidigungsminister Liam Fox in Washington. US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte, zwar sollten Menschenrechte und Demokratie für alle Länder gelten, ein ausländisches Eingreifen müsse jedoch auf jedes Land zugeschnitten werden.

Das US-Außenministerium erklärte, sich "zunächst" auf eine diplomatische Lösung und eventuelle Sanktionen konzentrieren zu wollen. Die Handlungen des syrischen Präsidenten Assad seien "völlig unvereinbar mit dem Handeln eines verantwortungsvollen Staatschefs", sagte der Berater von US-Außenministerin Hillary Clinton, Jacob Sullivan. Die USA wollten sich in ihrem Vorgehen aber vorerst auf den "diplomatischen und finanziellen Bereich" konzentrieren.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach Assad in einem Telefonat am Dienstag seine "Besorgnis über die jüngsten Ereignisse" aus und forderte ihn zu Reformen auf, wie die türkische Nachrichtenagentur Anatolia berichtete. Erdogan, der enge persönliche Kontakte zu Assad unterhält, erklärte zudem, eine Delegation nach Damaskus schicken zu wollen.

Sechs Tote bei Demo in Daraa

In einem in New York kursierenden Entwurf für eine Syrien-Erklärung des UNO-Sicherheitsrates ist Diplomaten zufolge von Strafen gegen das Assad-Regime keine Rede. Vielmehr wird darin die Gewalt verurteilt und Damaskus aufgefordert, sie zu stoppen. Das von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal eingebrachte Papier werde nicht von allen Ländern im Rat befürwortet, hieß es.

In Daraa gingen die Sicherheitskräfte unterdessen laut einem Aktivisten weiter gewaltsam gegen Demonstranten vor. Am Dienstag seien mindestens sechs Menschen erschossen worden, sagte der Aktivist Abdallah Abazid. In der Nacht auf Mittwoch seien erneut "intensiv" Schüsse zu hören gewesen. Die syrische Armee habe zuvor Verstärkung nach Daraa geschickt und auf die Einwohner geschossen. Allein am Montag waren bis zu 5.000 Sicherheitskräfte unterstützt von Panzern nach Daraa eingerückt und hatten laut Zeugen mindestens 25 Menschen getötet.

Nach der US-Regierung erwägt nun auch die Europäische Union Sanktionen gegen das Regime in Damaskus. Die Mitgliedsstaaten wollten rasch darüber beraten, wie eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel sagte.

200 Österreicher in Syrien

In Syrien befinden sich derzeit rund 200 österreichische Staatsbürger, von denen einige das Land verlassen wollen. Entsprechende Evakuierungsmaßnahmen werden vorbereitet. Das sagte Außenminister Michael Spindelegger nach dem Ministerrat am Mittwoch. Er rief gleichzeitig das Regime in Syrien auf, die Gewalt gegen die Demonstranten einzustellen.

Ein Teil der rund 200 Österreicher besitzt laut dem Vizekanzler die Doppelstaatsbürgerschaft. Nicht alle wollen das Land verlassen. Die Lage in Syrien ist laut Spindelegger so gefährlich, dass man jene Landsleute evakuieren werde, die sich in Sicherheit bringen wollen. (APA)