Wien - Bundeskanzler Werner Faymann hat bei einer Kundgebung am Wiener Stephansplatz am Montagabend den weiteren Ausbau der Atomenergie verurteilt. "Wir wissen, dass seit Tschernobyl 160 neue AKW auf der Welt gebaut wurden - und dass die Atomlobby nur warten möchte, bis das Thema in Vergessenheit gerät", sagte Faymann in seiner Rede. Es sei angesichts der Atomkatastrophe in Fukushima "zynisch", von der Atomkraft als beherrschbarer Technologie zu sprechen.

Der Kanzler gestand auf Anfrage der APA zu, dass es auch in den Reihen der Regierungsparteien Befürworter der Atomenergie gebe. "Und dass es auch in Österreich Menschen gibt, die verdienen an der Atomlobby, die Atomenergie unterstützen, von ihr schwärmen - das weiß ich." Sein Amtsvorgänger Wolfgang Schüssel, nunmehr außenpolitischer Sprecher der ÖVP im Parlament, stand zuletzt in der Kritik, da er neben seiner Tätigkeit im Nationalrat auch im Aufsichtsrat des deutschen Atomstromkonzerns RWE sitzt.

Die Umweltorganisation Global 2000 hatte am Vorabend des 25. Jahrestags der Atomkatastrophe in Tschernobyl zu der Kundgebung aufgerufen, an der laut Schätzung der Polizei rund 700 Menschen teilnahmen. Neben Faymann sprach auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die an die Gegnerschaft zur Atomkraft in ganz Europa erinnerte. "Wir sind eine gemeinsame, internationale Bewegung." Es sei die Hoffnung der Grünen, dass mit dem Atomunglück in Fukushima eine Zeitenwende in der europäischen Energiepolitik eintrete. "Die Atomindustrie muss beendet werden", sagte Glawischnig.

Neuer Umgang mit knappen Energieressourcen

Caritas-Direktor Michael Landau übermittelte eine Grußbotschaft des Wiener Erzbischof Christoph Schönborn. In dieser forderte der Kardinal eine "Globalisierung des Verantwortungsbewusstseins" angesichts der Katastrophe in Japan. Ein neuer Umgang mit den knappen Energieressourcen müsse mit einer deutlichen Reduktion des Bedarfs einhergehen. "Die Änderung unseres Lebensstils wird nur dann fruchtbringend, wenn sie mit Verzicht verbunden ist", sagte Landau mit Verweis auf Schönborn.

Der Veranstalter Klaus Kastenhofer, Chef von Global 2000, erinnerte daran, dass auch Österreich trotz seines Status als nuklearfreies Land durch Stromimporte indirekt an der Atomindustrie teilhabe. Das müsse nun Thema der Debatte sein. "Fukushima war ein Weckruf", sagte Kastenhofer. Bereits eine halbe Million Menschen hätten im Internet eine Petition von Global 2000 zum weltweiten Atomausstieg unterzeichnet.

An der Kundgebung nahmen Spitzenpolitiker der SPÖ und der Grünen teil. Unter dem Demonstranten befanden sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Frauenminister Gabriele Heinisch-Hosek, Gesundheitsminister Alois Stöger, ÖGB-Chef Erich Foglar, SP-Klubobmann Josef Cap, sowie Volksanwältin Terezija Stoisits und David Ellensohn, Klubobmann der Grünen im Wiener Gemeinderat. (APA)