Zwei anno 1964 ein wenig Unzeitgemäße: Kleingangster Pinkie (Sam Riley) und die verhuschte Servierkraft Rose (Andrea Riseborough) am Strand von Brighton.

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Wien - Wenn das britische Seebad Brighton heute im Kino auftaucht, dann steht es samt seiner verlebten Pracht oft symbolisch für ein Gefühl der Endlichkeit: Im harten Thriller London to Brighton von 2006 etwa, wo zwei Frauen auf der Flucht nur notdürftig Schutz finden. Oder aktuell in Brighton Rock, wo die Träume eines kleinen Gangsters und einer romantischen Kellnerin an den nahegelegenen Klippen enden.

Brighton Rock, das ist der Name eines ebenso süßen wie tödlichen Souvenirartikels - und der Titel eines Romans von Graham Greene, der bereits 1947 fürs Kino aufbereitet wurde. Der britische Drehbuchautor Rowan Joffe (Last Resort, The American, u.a.) hat den Stoff nun für sein Regiedebüt in die 1960er-Jahre verlegt. Der junge Tunichtgut Pinkie Brown (Sam Riley) trägt im Seebad zuerst den Chef seiner etwas ärmlichen, kleinkriminellen Einheit zu Grabe. Dann macht er sich daran, selbst zum lokalen Gangsterboss aufzusteigen.

Pinkie ist dabei naiv, rücksichtslos und unberechenbar. Als äußeres Zeichen dafür trägt er bald eine Schnittwunde im Engelsgesicht. Als ihm die verhuschte Servierkraft Rose (Andrea Riseborough) versehentlich ins Gehege kommt, geht er aufs Ganze. Er hofiert sie und spekuliert darauf, dass er sie so unter Kontrolle halten kann. Roses unschuldiger Ergebenheit ist er dann aber nicht ganz so gewachsen, wie er es gern möchte.

Außerdem hat Rose zwei Schutzengel: John Hurt und Helen Mirren spielen diese. Der Umstand, dass Mirren - im Gegensatz zu den staatstragenden Rollen vergangener Jahre - hier sehr lässig eine Teesalonbesitzerin mit Vergangenheit, Witz und Mut verkörpern darf, ist nicht das einzige Argument für diesen Film.

Interessant ist auch Joffes Spiel mit den jugendkulturellen Auf- und Umbrüchen, die in Brighton in Massenschaukämpfe zwischen Mods und Rockern kulminierten (im Kino hat Quadrophenia zur einschlägigen Legendenbildung beigetragen). In Brighton Rock fungieren sie als Vorboten einer neuen Ära und konterkarieren den Anachronismus des klassischen Gangstertums. Gleichzeitig bringt Pinkie, der zwar einer von den Jungen ist, zugleich aber vom Aufstieg in der Ordnung und im Sinne der Alten träumt, diesen Generationskonflikt noch einmal ordentlich zum Flirren.

Einmal klaut Pinkie eine aufgemotzte Vespa, er braust durch die Straßen, und irgendwann findet er sich an der Spitze eines großen Vespa-Corsos wieder - er passt da perfekt hin, im schmalen Anzug und grünen Parka. Mehr hat er mit seinen Altersgenossen aber auch schon nicht gemein. Die gemeinsame Fahrt ist nicht von Dauer. (Isabella Reicher/ DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2011)