Jerusalem/Ramallah/Wien - Auch in Israel selbst gibt es wortgewaltige Anhänger einer palästinensischen Unabhängigkeitserklärung: Am Donnerstag wird sich eine Gruppe von Intellektuellen in Tel Aviv an jener Stelle versammeln, an der David Ben-Gurion im Mai 1948 den Israel ausgerufen hat. Die Teilnehmer werden ihre Unterstützung für einen Palästinenserstaat in den 1967er-Grenzen - für die israelische Regierung ein "no go" - verkünden. Die Tageszeitung Haaretz zitiert den israelischen Historiker und Holocaust-Forscher Yehuda Bauer, der an der Initiative teilnimmt, mit den Worten, dass die "Fortführung der Besetzung die Vernichtung des Zionismus" bringen würde.

Auch international fährt der Zug eher in Richtung Unterstützung der Palästinenser, die ab Herbst in den Uno-Institutionen Anerkennung suchen wollen. In einem Interview mit der palästinensischen Zeitung Al-Ayyam sagte Präsident Mahmud Abbas, dass London und Paris bereit seien, den Palästinenserstaat zu akzeptieren. Zuletzt hatte die Los Angeles Times gar gemeldet, das Nahost-Quartett sei bei einer formellen Anerkennung dabei. Das ist aber nur schwer vorstellbar - zum Quartett gehören außer Uno, EU und Russland auch die USA. Washington hat dem Wunsch einiger EU-Staaten nach einem Quartetttreffen zur Frage, wie man neue Verhandlungen auf den Weg bringen könnte, vor kurzem eine Absage erteilt, es sei nicht die richtige Zeit.

Teilrückzug in Panik

Die Regierung von Benjamin Netanjahu reagiert weitgehend hilflos: Seit einiger Zeit schwebt die Idee im Raum, durch einen Teilrückzug aus dem Westjordanland die Zügel des davongaloppierenden Pferdes wieder in die Hand zu bekommen. Mit den palästinensischen Bantustans, die derart geschaffen würden, könnte Israel jedoch international kaum überzeugen. Manche Rechtspolitiker - wie Knesset-Präsident Reuven Rivlin - sprechen sich hingegen für eine Annexion des Westjordanlands aus. Der Politikwissenschafter Shlomo Avineri schreibt in Haaretz, das würde das "Ende Israels als jüdischer und demokratischer Staat" bedeuten.

Manche Beobachter halten die palästinensische Ankündigungspolitik für reine Taktik. Es gibt auch viele Stimmen, die die Palästinenser vor einem unilateralen Schritt warnen: Sie würden die USA, ohne die sie gar nichts erreichen könnten, ins Lager Israels zwingen. Und aus - wenn auch jetzt auf dem Eis liegenden - Verhandlungen über Grenzen würde ein Grenzkrieg werden. Abbas selbst betont immer wieder, eine dritte Intifada komme nicht infrage, aber ob er die Lage kontrollieren könnte, ist unsicher. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2011)