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Auf welche Seite neigt sich Justitias Waage? Checkmycase.com versucht mittels Crowdsourcing die richtige Antwort zu finden.

Foto: Reuters

Die Situation ist wohl vielen Internetusern geläufig: "Ich habe in einem Posting eine Meinung vertreten, die ich in der Zwischenzeit geändert habe ... Ich habe gehört, dass es im Internet so etwas wie ein 'Recht, vergessen zu werden' gibt. Stimmt das, so dass ich von der Online-Plattform die Löschung verlangen kann?"

Check my case

Diese Frage stellt sich - und anderen - ein namentlich nicht genannter User auf Checkmycase.com. Und erhält als Antwort: Es gibt kein Recht vergessen zu werden. Das ist zumindest die Mehrheitsmeinung unter 141 Usern, die ihre Einschätzung zu der Rechtsfrage abgegeben haben: Der User hätte nur eine 38-prozentige Chance, mit seinem Begehren beim Provider durchzukommen.

Idee eines Zivilrechtsprofessors

Eine von vielen Rechtsfragen, die vom Konsumentenschutz bis zum Handy oder Asylfragen reichen, und auf der Webseite der Beurteilung durch ein breiteres Publikum unterbreitet werden. Ins Leben gerufen hat Checkmycase.com der Wiener Zivilrechtsprofessor Wolfgang Zankl und das von ihm gegründete E-Center, das sich erfolgreich als internationaler Thinktank für Online-Rechtsfragen positioniert hat. Ursprünglich habe er daran gedacht, mit dem E-Center als Onlinegericht in "Second Life" vertreten zu sein. Der Hype um "Second Life" kühlte ab, die Idee köchelte hingegen weiter: 2008 wurde der Website online gestellt und zunächst weitgehend sich selbst überlassen - oder besser: den Usern.

Spiegel, was Menschen rechtspolitisch beschäftigt

Inzwischen verzeichnet die Seite unzählige spannende Fälle und "ist ein Spiegel dessen, was Menschen rechtspolitisch beschäftigt, wie die Bawag-Causa oder die Grasser-Vorlesungen" des Verfassungsrechtlers Heinz Mayr, sagt Zankl. Die Idee folgt dem "Crowd Sourcing", der "Weisheit der vielen", beschreibt der Zivilrechtler: Durch viele Beurteilungen ergibt sich eine statistische Bewertung, welche Aussichten ein konkreter Fall bei einer Klage haben könnte. Kommt es tatsächlich zu Verfahren werden deren Ergebnisse in den Website eingespeist.

Oberster Grundsatz der Verfassung

Manche Fälle geben Anlass zu weiteren Offline-Beschäftigung: So versucht die Anwaltskammer derzeit zu klären, ob Anwaltskanzleien aus Gründen des Berufsgeheimnisses von der geplanten Vorratsdatenspeicherung auszunehmen sind - ein Thema, das auch andere Berufe wie Ärzte oder Therapeuten betrifft. Schließlich verfolgt Zankl damit auch ein rechtspolitisches Anliegen: "Das Recht geht vom Volk aus, ist der oberste Grundsatz der Verfassung. Wir wollen das ermöglichen." (spu/ DER STANDARD Printausgabe, 21. April 2011)

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