"Imagevirus (Time Square)": Das von Robert Indianas Love-Schriftzug inspirierte Aids-Logo als flimmernde Werbefläche.

Foto: General Idea

 Das Musée d'Art Moderne in Paris widmet ihnen ihre erste Retrospektive.

1975 erklärten sie rückblickend "Wir wollten berühmt, glamourös und reich sein. Das heißt eigentlich wollten wir Künstler sein. Und wir wussten, dass wir, wenn wir erst berühmt und glamourös sind, von uns behaupten könnten, Künstler zu sein."

General Idea waren ebenso exzentrisch wie ernsthaft, ebenso provokativ wie kalkuliert. 1969 in Toronto von Felix Partz, Jorge Zontal (beide 1994 an Aids gestorben) und AA Bronson gegründet, stilisierte sich das Trio zwar als fiktive Kunstfigur, brach aber gleichzeitig mit dem traditionellen Konzept künstlerischer Autorschaft: "Befreit sie von der Tyrannei, die der Mythos des individuellen, autonomen Genies ausübt".

Das Pariser Museum Moderner Kunst ist die erste Institution überhaupt, die dem Ausnahmekollektiv mit der am Populären geschulten, messerscharfen Bildsprache eine Retrospektive widmet: Haute culture: General Idea. A retrospective titelt die umfassende Schau, die das Phänomen General Idea in sinnvollen Portionen aufschlüsselt. Daher wird auf dem Rundkurs im Palais de Tokyo auch zum Glück auf chronologische Erzählung verzichtet. Stattdessen vermittelt man in logischen Kapiteln - von Glamour über Massenkultur bis Sex - ihre hyperaffirmativen Strategien.

Die Methoden entzündeten sich an einer an Massenkultur und Medienkonsum geketteten Gesellschaft, der sie sich nicht zugehörig fühlten. General Idea wollte untergraben und überdenken und so wurden sie, getarnt als Mitläufer bzw. -täter, selbst zu Strategen des Markts und des Medialen. Es galt, die Monstren der Vermarktung und Mediatisierung mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen oder sie vielmehr auf diese Weise zu entlarven.

So bastelt die Trias erst am Mythos der Kunstfigur "Miss General Idea", die auf mörderisch hohen Absätzen den Weg ins Bild findet. Oder sie erfinden den Pudel als Verkörperung des Künstlers. Dieser muss zum artifiziellen Objekt werden, und so machen sich die drei jungen Burschen in einer Fotostrecke nackig und zum sexualisierten Pin-Up. Ganze (Gedanken-)Architekturen (Miss General Idea Pavillon), ja Fetisch-Objekte sammeln sich um die Glamour-Idee. Und dann? Dann brennt der Pavillon ab und der Ausverkauf beginnt. In der Miss General Idea Boutique wurden 1984 auf einem Tresen aus fleckigem Blech in Form eines Dollarzeichens diese Memorabilitäten verkauft.

Make Love?

Am Ende der widerständigen Charme versprühenden Schau begegnet man auch dem berühmtesten aller General-Idea-Werke: jenen vier berühmten Lettern A, I, D und S, die die homosexuellen Künstler 1988 als Abwandlung des hippiesken Make-Love-Kultgemäldes Love von Robert Indiana entwickelten. Aids verbreitete in der bis dahin heilen sexuellen Welt Angst und Schrecken. General Idea erdreistete sich dieses kalte Grauen in eine bunte Ikone zu verwandeln. Damals ein Affront, aber ein intelligenter. (Anne Katrin Feßler aus Paris/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2011)