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Martin streitet alle Vorwürfe ab, Ehrenhauser kenne die "wesentlichen" Unterlagen nicht.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Gegen EU-Parlamentarier Hans-Peter Martin liegen neue Vorwürfe vor. Martin soll seiner Partei ("Liste Martin") in den Jahren 2007 und 2009 seine Wiener Wohnung - zu "stark überhöhten Preisen" - als Büro vermietet haben, berichtete das Nachrichtenmagazin "News" in ihrer aktuellen Ausgabe.

"Lassen wir das"

Gegenüber der ZiB2 hat Martin live alle Vorwürfe zurückgewiesen und von einer "Art Streikfonds" gesprochen. Das Geld fließe in einen "Aktivitätsfonds", daraus würden Wahlkämpfe für die nächsten Jahre vorfinanziert. Martin: "Liebe Wähler, glauben Sie nicht, was da passiert. Da wurden illegal die privatesten Dokumente herausgezogen. Bitte vertrauen Sie mir, liebe Wählerinnen und Wähler", appelliert der EU-Parlamentarier via ORF und kündigt erneut Strafanzeige gegen Martin Ehrenhauser an. "Das wird man sehen", "das kann man erklären", "das wird rechtlich zu prüfen sein", sagt Martin ohne eine detaillierte Erklärung zu den Vorwürfen. Auf die Frage, ob die Liste Martin mehr als zehn Mitglieder habe oder mehr als 100, will Martin keine Antwort geben und sagt nur: "Jetzt lassen wir das, ja?". Auf die Frage, ob er zurücktrete, falls sich die Vorwürfe bestätigen würden: "Da muss man schauen, was der Staatsanwalt sagt."

"Völlig absurde Zahl"

Zurück zu den neuen Vorwürfen: 2009 habe die "Liste Martin" laut Rechenschaftsbericht 120.872,64 Euro für Mieten ausgegeben. "Am 30. Dezember 2009 überwies die Liste Dr. Hans-Peter Martin laut Kontoauszug tatsächlich exakt jenen Betrag unter dem Posten 'Mieten' - und zwar an 'Martin Hans-Peter Dr. Wien", schreibt "News". Die kolportierte Jahresmiete von 120.000 Euro, was einer Monatsmiete von 10.000 Euro für die 127 Quadratmeter große Eigentumswohnung entspricht, bezeichnet ein Immobilienexperte gegenüber dem Magazin als "völlig absurde" Zahl.

"Geheimes Büro"

Martin Ehrenhauser, früherer Büroleiter der "Liste Martin" in Brüssel, forderte angesichts der neuen Vorwürfe gegen seinen Ex-Chef, dass dieser "Standort und Zweck des von ihm erwähnten zweiten 'geheimen Büros' nennen und die Bürokosten für die Eigentumswohnung in der Wiener Böcklinstraße 90 in Zahlen aufschlüsseln" solle. Des weiteren solle Martin erklären, wie viel an Mietanteil für die Wohnung er selbst übernommen habe. Im Abrechnungszeitraum war Martin laut Ehrenhauser als Privatperson in der Böcklinstraße 90 hauptgemeldet. Martin dementierte dies gegenüber "News": Er habe sich nur zu Bürozwecken dort aufgehalten. Martin verstricke sich "weiter in Widersprüche", so Ehrenhauser.

Ehrenhauser hatte am Montag den "dringenden Verdacht" geäußert, dass sein Ex-Chef Martin "mindestens eine Million Euro Steuergelder abgezweigt" habe und berief sich dabei auf ihm "zugespielte Dokumente".

Martin: Vorfinanzierung von Wahlkämpfen

Martin wies alle Vorwürfe gegenüber "News" zurück. Der im Jahr 2009 angegebene Betrag decke "die Mieten in zwei Objekten in drei Jahren in Österreich ab". Die Mieteinnahmen für 2007 würden sich auf zwei Büros für einen Zeitraum von sechs Jahren beziehen, nach Abzug von Steuern und Betriebskosten verbleibende Mittel verwende er zur Vorfinanzierung von Wahlkämpfen. Die von Ehrenhauser vorgelegten Abrechnungen seien nur "Entwürfe". In einer Aussendung am heutigen Mittwoch betonte Martin zudem, die Miete der Objekte würde "unter dem marktüblichen Preis" liegen, dies hätten amtliche Prüfer festgestellt.

"Ehrenhauser kennt tatsächliche Ausgaben nicht"

Zuvor hatte Martin in einer Aussendung gesagt, dass die Vorwürfe seines früheren Mitstreiters Martin Ehrenhauser sich nur auf "Entwürfe für die Abrechnung der Verwendung der Finanzmittel" der Partei stützen würden. Die "endgültige, tatsächlich durch die amtlichen Prüfer herangezogene Abrechnung" weiche in "wesentlichen Punkten" davon ab. Ehrenhauser kenne die "wesentlichen Originalunterlagen" und "tatsächlichen Rechnungen" nicht, konterte Martin am Mittwoch und kündigte einen "Ausgaben-Ticker" auf seiner Webseite an.

Finanzierung durch "Aktivitäten-Fonds"

In der Aussendung erläutert Martin weiter, wie sich seine Partei "tatsächlich finanziert". Demnach würden Wahlkämpfe nicht nur durch Mittel aus dem Wahlwerbungs-Kostenbeitrag finanziert, sondern teilweise auch durch private Mieteinnahmen aus zwei seiner Büros in Österreich. "So wie der ÖGB einen 'Streikfonds' braucht, so gibt es im Kleinen für die 'Liste Martin' einen 'Aktivitäten-Fonds', der in den Jahren vor den jeweils nächsten Wahlgängen für neue investigative Recherchen, für politische Aktivitäten, Anwaltskosten etc. genutzt wird", schreibt Martin.

Ohne diesen "Aktivitäten-Fonds" könnte die Partei "bei Wahlgängen überhaupt nicht antreten". Da aber diese Mittel im "Intensivwahlkampf" gar nicht ausreichten, müsste Martin selbst Gelder aus seinem privaten Vermögen "hinzuschießen" und Kredite aufnehmen. Er alleine habe bisher das gesamte finanzielle Risiko im Zusammenhang mit der "Liste Martin" getragen, Ehrenhauser nur durch ihn die Chance bekommen, ins EU-Parlament einzuziehen.

Ehrenhauser wollte Macht übernehmen

Ehrenhauser, der vor mehr als einer Woche aus der "Liste Martin" ausgetreten war, hätte selbst an die Gelder der Liste "herankommen" und "die Macht" übernehmen wollen, empörte sich Martin. Er selbst will verbliebene Gelder an soziale Einrichtung spenden, sollte er sich dazu entscheiden, bei keiner Wahl mehr anzutreten.

Bezüglich des umstrittenen Postens "Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit" erklärte Martin, dass Belege für "mehr als 1,85 Millionen Euro" vorliegen würden. Damit gebe es einen "deutlichen Überhang bei den Rechnungen im Vergleich zu der in den Rechenschaftsberichten von 2009 und 2010 ausgewiesenen Gesamtsumme von 1.786.473,14 Euro". Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "profil" hat Martin das Honorar eines Architekten unter "Öffentlichkeitsarbeit" verbucht, Anwaltskosten für private Mietrechtsstreitigkeiten finden sich demnach in der Kontenaufstellung unter "Gerichtskosten". Martin bestritt die Vorwürfe.

Immunität muss erst aufgehoben werden

"Schwerer Betrug", "Untreue" und "Förderungsmissbrauch" - so lauten die Vorwürfe der bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebrachten Anzeige von Martin Ehrenhauser gegen seinen Ex-Chef. Das bestätigte Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Mittwochnachmittag auf APA-Anfrage. Die Höchststrafe für diese Delikte beträgt zehn Jahre. Da Martin aber den Immunitätsbestimmungen für EU-Abgeordnete unterliegt, müsse zunächst ein Antrag auf Aufhebung dieser Immunität an das Europäische Parlament gestellt werden. Martin selbst weist auch am Mittwoch alle Vorwürfe zurück. (APA)