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Auch in der jordanischen Hauptstadt Amman forderten Demonstranten vor der syrischen Botschaft den Abgang von Präsident Bashar al-Assad und seinem Regime.

Foto: APA/EPA/Nasrallah

Nun ergreifen die Proteste auch Städte, in denen es zuvor ruhig war.

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Damaskus/Wien - Es ist ein Schneeballeffekt: Bei jeder Demonstration gibt es neue Tote, und bei jedem Begräbnis eine neue Demonstration. Nun sind die Proteste in der syrischen Stadt Homs angelangt, wo es bis vor kurzem ruhig war. Tausende folgten am Montag dem Trauerzug für acht am Vortag getötete Demonstranten und verlangten den Abgang von Präsident Bashar al-Assad.

Dabei war die Rede, die Assad am Samstag gehalten hatte, bei Beobachtern weit besser weggekommen als seine erste nach Ausbruch der Proteste. Er erging sich nicht mehr in Beschuldigungen ans Ausland, sondern gab zu, dass es eine Kluft zwischen Volk und Regime gebe, bedauerte das Blutvergießen und versprach Reformen.

Aber all das bleibt ohne Wirkung, solange es tote Demonstranten gibt. Und auf Assads Worte folgten wieder die Schüsse. Es bleibt auch zu sehen, ob er nicht den Ausnahmezustand, falls er ihn wirklich aufhebt, durch eine genauso schlimme Terrorismusgesetzgebung ersetzt.

Die Revolte ist vom Land in die Städte gewandert und von den klassischen Regimegegnern - der Grenzort Deraa, wo sie ausbrach, ist ein ganz eigenes Anti-Assad-Biotop - bei breiteren und entscheidenden urbanen Schichten angekommen, bei Studenten und dem Establishment. Es wird auch von Spaltungen im Militär berichtet. Soldaten sollen von ihren Heimatorten versetzt werden, um die Gefahr von Befehlsverweigerungen zu reduzieren.

Religiöse Konflikte

Obwohl der Ruf nach Freiheit und Demokratie erschallt, sind in einigen Gebieten ganz klar Kräfte zugange, die konfessionelle Auseinandersetzungen schüren: Es gibt Berichte, dass alawitische - also Assads Konfession zugehörige - Milizen, die Shabbeha, sunnitische Dörfer mit religiösen Parolen angreifen. Vermehrt melden sich ihrerseits radikale Sunniten zu Wort, die damit nicht hinterm Berg halten, dass die Alawiten für sie gar keine Muslime sind.

Die Alawiten sind eine gnostische Sekte des Islam (anders als die türkischen Aleviten). Nach ihrem Gründer Ibn Nusair heißen sie auch Nusairier, bevorzugen jedoch selbst den Namen "Alawi", der eine Referenz an Ali enthält: Die Tendenz geht dahin, Anerkennung als schiitische Schule zu suchen. Wobei sich andererseits die alawitische Familie Assad zunehmend sunnitisch stilisiert.

In seiner ersten Rede hatte Bashar al-Assad behauptet, dass Akteure von außen die Konfessionen aufeinanderhetzen. Auch in Ägypten wird ja von den plötzlich massiv auftretenden radikalen Salafiten, die sogar auf den ganz normalen ägyptischen Volksislam losgehen, gesagt, dass sie von Saudi-Arabien gesteuert werden. Nach Syrien kommt der salafitische Einfluss auch über die Grenze aus Jordanien.

Es wird die Paranoia des Regimes anheizen, dass gerade jetzt durch via Wikileaks veröffentlichte US-Depeschen bekannt wurde, dass die USA seit Jahren syrische Oppositionsgruppen finanzieren. Das ist Munition für jene, die alle Demokraten als 5. Kolonne abstempeln. Verschwörungstheorien sehen eine US-saudisch-israelische Allianz am Werk, die Assad weghaben möchte, um den iranischen Einfluss zu stoppen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 19.4.2011)