Haile Gebrselassie auf dem Weg durch Wien. Der Weltrekordler kann sich vorstellen, hier den ganzen Marathon zwecks Olympia-Qualifikation zu laufen.

Foto: Christian Fischer

John Kiprotich sichert sich seinen Eintrag in der Siegerliste des Vienna City Marathons.

Foto: Christian Fischer

Wien - Auf dem Heldenplatz mimte Haile Gebrselassie den Enthusiasmierten, und er mimte ihn durchaus glaubwürdig. "Eine wunderbare Stadt, ein wunderbares Publikum, eine wunderbare Atmosphäre, eine wunderbare Strecke, ein wunderbarer Asphalt, eine wunderbare Luft. Ich habe das Laufen genossen. Gott segne euch", sagte der berühmteste Dauerläufer der Gegenwart zu den Tausenden, die im Ziel auf die Sportler warteten. Zu diesem Zeitpunkt war die Marathon-Elite noch im Prater unterwegs.

Eine Stunde und 18 Sekunden lang hatte der von Begleitmotorrädern umzingelte Gebrselassie zwecks Halbmarathon gearbeitet, und in dieser Zeit lag ihm die Stadt quasi zu Füßen. Sie war nicht ungerecht, aber den fülligsten Applaus erntete der zweifache Olympiasieger, neunfache Weltmeister und 27-fache Weltrekordler, der in Wien ein Comeback gab.

Vor fünf Monaten war er beim New-York-Marathon wegen Knieschmerzen ausgestiegen und hatte im ersten Frust seinen Rücktritt bekanntgegeben. Daheim in Äthiopien kam das gar nicht gut an. Der Nationalheld, der seine Heimat nicht nur mit Siegen beglückt, sondern auch als Arbeitgeber, seine Preisgelder in Äthiopien investiert, diverse Firmen aufgebaut und Schulen gestiftet hat, ein hohes politisches Amt in der Zukunft nicht ausschließt, trat rasch vom Rücktritt zurück. Schließlich läuft er nicht nur, um zu nehmen, sondern auch um zu geben. Doch aus seinem Plan, im Februar den Tokio-Marathon zu bestreiten, wurde nichts, wieder zwickten die Knie. "Aber jetzt bin ich in Form", hatte er vor dem Lauf durch Wien gesagt.

Das Tempo des Haile Gebrselassie

Um neun Uhr brachen die Marathonläufer auf der Wagramer Straße auf zu ihrer 42,195 Kilometer langen Reise, zwei Minuten später machte sich Gebrselassie an die Verfolgung. "Der Plan war", erzählte er nachher, "dass ich sie zwischen Kilometer 15 und 17 einhole." Aber der Meister hielt sich nicht an seinen Plan, er überholte sich zunächst einmal selbst, lief in einem Tempo, welches - hochgerechnet - auf eine Zeit unter einer Stunde schließen ließ. Ungefähr nach zwölf Kilometern, auf der Linken Wienzeile beim Naschmarkt, überholte er die Kenianer. Aber die hatten an diesem Tag doppelt so viel zu arbeiten.

"Ich hatte gehofft, ein Stück mit ihm mitlaufen zu können, aber er war zu stark", erzählte nach dem Rennen der spätere Sieger, der Kenianer John Kiprotich, der nach 2:08:29 Sekunden durchs Ziel lief. Mit 22 Jahren ist er der jüngste Wien-Sieger aller bisherigen Zeiten. Seine persönliche Bestzeit unterbot er um rund sieben Minuten. Der Streckenrekord seines Landsmanns Abel Kirui aus 2008 (2:07:38) ist wieder um ein Jahr älter geworden.

Kenia unwiderstehlich

Abgesehen davon trumpften die Kenianer in Österreich fast auf wie die österreichischen Skifahrer in ihrer besten Zeit, als sie beim Super-G auf dem Patscherkofel die ersten neun Ränge belegten. Beim 28. Vienna City Marathon brachte Kenia immerhin acht Läufer unter die ersten acht. Österreichs Bester war der Kärntner Roman Weger. Er wurde 21., und binnen 2:18:24 Stunden blieb er wie angestrebt unter 2:20. Den Marathon der Damen gewann Gebrselassies Landsfrau Fate Tola (2:26:21). Tanja Eberhart, Österreichs Beste, wurde beim Debüt 14. (2:44:11).

Gebrselassie hatte es auf eine gute Leistung, aber nicht auf einen Rekord angelegt. Das hätte nämlich nicht einmal bei ihm funktioniert, schließlich war er ohne Hase, wie man einen Tempomacher nennt, unterwegs. Jedenfalls hat es ihm getaugt. Und er kündigte an, wiederzukommen. "Es geht ja nicht nur um das Laufen, sondern auch um die Atmosphäre. Und die war fantastisch. Ich bin mir vorgekommen wie in einem Stadion." Und der Marathon hier sei gar nicht so hart, wie ihm das einige Kollegen erzählt hätten. "Ich kenne ja nur die Hälfte. Aber 2:05 sind sicher möglich."

Das nächste große Ziel des Äthiopiers, der heute, Montag, 38 wird, ist der olympische Marathon 2012 in London. Um dieses zu erreichen, muss er die interne Qualifikation schaffen, und das ist selbst für den Weltrekordler keine gemähte Wiese. "Vielleicht laufe ich die Qualifikation nächstes Jahr in Wien", sagt er, der seinen Weltrekord (2: 03:59) allerdings 2008 in Berlin aufstellte. (DER STANDARD Printausgabe, 18.4.2011)

Ergebnisse vom 28. "Vienna City Marathon" am Sonntag:

Herren: 1. John Kiprotich (KEN) 2:08:29 Stunden - 2. Patrick Ivuti (KEN) 2:08:41 - 3. Evans Kiplagan (KEN) 2:09:22 - 4. Isaac Macharia (KEN) 2:09:43 - 5. Joseph Maregu (KEN) 2:10:29 - 6. Nicholas Chemilo (KEN) 2:10:48 - 7. Augustine Ronoh (KEN) 2:10:53 - 8. Paul Kirui (KEN) 2:11:54 - 9. Henry Szost (POL) 2:12:45 - 10. Tsegaye Bekele (ETH) 2:12:57. Weiter: 21. Roman Weger (AUT) 2:18:24

Frauen: 1. Fate Tola (ETH) 2:26:21 Stunden - 2. Ana-Dulce Felix (POR) 2:26:30 - 3. Peninah Arusei (KEN) 2:27:17 - 4. Genet Getaneh (ETH) 2:28:08 - 5. Elsa Kirejewa (RUS) 2:29:41. Weiter: 14. Tanja Eberhart (AUT) 2:44:11

"Catch me if you can"- Halbmarathon: 1. Haile Gebrselassie (ETH) 1:00:18 Stunden - 2. Karl Aumayr (AUT) 1:12:18 - 3. Franz Pauker (AUT) 1:23:22