Berlin - Die deutsche Bundesregierung will die Energiewende innerhalb von zwei Monaten umsetzen und dafür die Ökostrom-Förderung beschleunigt reformieren. Neben den Beschlüssen zum Atomausstieg solle am Ende des Moratoriums Mitte Juni ein ganzes Bündel an Beschlüssen für die angestrebte Energiewende stehen, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Berlin nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten an.

Der Zeitplan sieht vor, dass sich Merkel und die Länderchefs am 3. Juni erneut treffen. Drei Tage später soll das Gesetzespaket vom Bundeskabinett beschlossen werden. Auch der Bundesrat habe ein beschleunigtes Zustimmungsverfahren zugesagt, so dass die Länderkammer nach dem Bundestag bereits am 17. Juni zustimmen könne, sagte Merkel.

Teile des Pakets sind eine Novelle des Atomgesetzes, das die Laufzeiten der Kraftwerke neu regelt, eine Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zum Ausbau von Stromnetzen sowie der Windkraft und anderen erneuerbaren Energien. Bis zur Kabinettsitzung solle auch Klarheit über die Kosten der Energiewende geschaffen werden, betonte die Kanzlerin.

Merkel: Am Ende des Moratoriums muss "rechtlich saubere" Laufzeit-Regelung stehen

Nach Angaben Merkels war sich die Runde einig, sich so rasch wie möglich aus der Atomenergie zu verabschieden. "Wir alle wollen schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen und in die Erneuerbaren Energien ein- und umsteigen", sagte sie. Am Ende des Moratoriums müsse eine "rechtlich saubere" Regelung für die weiteren Laufzeiten einzelner Atomkraftwerke stehen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) betonte nach dem Treffen aber, es habe beim Atomausstieg unterschiedliche Positionen gegeben. Während etwa die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte, es sei keine Entscheidung über die Stilllegung von Atommeilern getroffen worden, forderte Sellering für die SPD, die im Rahmen des Moratoriums abgeschalteten acht Altreaktoren nicht wieder ans Netz gehen zu lassen und zum rot-grünen Ausstiegskonsens zurückzukehren, wonach das Ende der Atomkraft im Jahr 2022 erreicht sein soll.

Kern des Gespräches war die Frage, wie andere Energieformen schneller gefördert werden können. Grundlage bildete ein Sechs-Punkte-Plan des Bundesumwelt- und des Wirtschaftsministeriums. Umweltminister Norbert Röttgen betonte sehr stark den nötigen Ausbau der Windenergie. Dazu solle das Planungsrecht erleichtert werden. An Land gehe es um den Ersatz alter, weniger leistungsfähiger Windräder. Auch Investitionen in riskantere, aber effizientere Offshore-Windparks sollten erleichtert werden. Noch innerhalb des Moratoriums solle zudem die Novelle des EEG auf den Weg gebracht werden. Laut Merkel wurde bei dem Treffen auch über einen möglichen Ausbau von Gas- und Kohlekraftwerken gesprochen, um den Atomstrom zu ersetzen.

Weil der Ausbau der Stromnetzes als entscheidendes Element für eine stärkere Nutzung regenerativer Energieformen gilt, will Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in Kürze zu einem Netzplan-Gipfel einladen, um die Frage der Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland zu klären. Verkehrsminister Peter Ramsauer betonte, dass er seinerseits für den beschleunigten Ausbau des Stromnetzes prüfe, ob dafür die Verkehrswege des Bundes dafür genutzt werden könnten.

Unklar blieb, wie viel die Energiewende mit ihren verschiedenen Maßnahmen kosten wird. Ramsauer hält nach eigenen Worten eine jährliche Förderung von zwei Milliarden Euro für die energetische Gebäudesanierung für "plausibel" , wenn man als Ziel jährlich zwei Prozent der Gebäude umrüsten wolle. Merkel sagte dagegen, alle Maßnahmen müssten zusammen mit dem Finanzministerium auf ihre Finanzierbarkeit abgeklopft werden. Auch ein Regierungssprecher hatte zuvor gesagt: "Es kann noch keine belastbaren Zahlen geben, weil es so viele Variablen gibt." Er hatte damit Zahlen Brüderles zurechtgerückt, der von jährlichen Mehrkosten von "ein bis zwei Milliarden Euro gesprochen hatte.

Die Opposition reagierte mit Kritik auf die Gespräche: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel vor, den Bundestag vorsätzlich zu übergehen. "Der Atomgipfel lässt vermuten, dass Union und FDP sich jetzt wieder ohne große parlamentarische Debatte durchmogeln wollen", sagte er im "Hamburger Abendblatt" (Samstagausgabe). "Das Parlament schiebt sie beiseite." (APA/Reuters)