Im Chat von derStandard.at hält der Strategieforscher Peter Filzmaier eine zweistellige Prozentzahl für eine neu zu gründende Partei für möglich.

Was wären ihre Themen? Genau die Themen, die die Regierungsparteien, vor allem aber die ÖVP, nicht behandeln, bzw. gar nicht erkannt haben.

Die Leute haben zum Teil ganz andere Sorgen, als die politische Klasse glaubt. Der ÖVP wurde - und wird wahrscheinlich weiterhin - vorgeworfen, man wisse nicht, wo sie stehe. Oh doch, das weiß man schon: Schutz für geschützte Bereiche wie die Bauern und die Beamten, insgesamt möglichst keine Veränderung. Ergebnis: Bei den letzten Nationalratswahlen war die ÖVP bei den Beamten fast doppelt so stark wie bei den Privatangestellten. Ähnliches gilt natürlich auch für die SPÖ, die sich fast ausschließlich als Bollwerk der Pensionisten und Bediensteten im öffentlichen Bereich (ÖBB, Gemeinde Wien) betrachtet.

Dazwischen bleiben ganze Hunderttausendschaften auf der Strecke, die keine wirkliche Vertretung haben: Menschen, die einerseits wollen, dass ihre Leistung honoriert wird, andererseits aber sehr wohl die Rolle eines vernünftigen Sozialstaates anerkennen. Die aber zusehen müssen, wie sich gut organisierte Interessengruppen durchsetzen. Jüngere Menschen, denen beim Blick auf das Herumgenudel der offiziellen Politik langsam die Frage dämmert, was die eigentlich für ihre Zukunft, für ihre Lebensperspektiven tun.

Oder: Bisher fand der Zusammenprall zwischen "Ausländern" und den "Einheimischen" hauptsächlich in der Unterschicht und in der unteren Mittelschicht statt (Stichwort Gemeindebau). Nun beginnt sich auch die Mittelschicht dafür zu interessieren, mit welchen Auswüchsen einer patriarchalischen Macho-Kultur die eigenen Kinder in der Schule und in den Parks konfrontiert sind.

Die meisten sind keine Finanzfachleute, aber viele beginnen zu ahnen, dass die Schuldenwirtschaft des Staates, die Verschwendung in den Ländern und der generelle Stillstand auch ihre ganz persönlichen Lebensperspektiven bedrohen.

Wenn der neue ÖVP-Chef Michael Spindelegger die Partei wieder über 30 Prozent bringen und in Wirklichkeit vor dem Untergang retten will, muss er die scharenweise davongelaufenen Mittelschichtler wiedergewinnen. Zuletzt hat die Volkspartei 80.000 Wähler an die FPÖ, aber 150.000 an das BZÖ verloren. Dort, und in noch höherem Ausmaß bei den Nichtwählern, liegt das Reservoir der Erholung der ÖVP - oder das einer neuen Partei.

Die wahre "Verteilungsgerechtigkeit" in diesem Land spielt sich zwischen den Beziehern von üppigen Transferleistungen, bzw. Angehörigen des geschützten Sektors und denen ab, die ungeschützt dem rauen Wind der wirtschaftlichen Strukturveränderung ausgeliefert sind.

Michael Spindelegger kommt aus dem ÖAAB, der eher als Hort der Besitzstandswahrer gilt. Er - und wer immer sonst jenseits von Hassgeschrei Erfolg haben will - muss sich um diese Themen kümmern.(Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.4.2011)