Maximilian Ledochowski ist Ernährungsmediziner in Innsbruck.

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Der Stellenwert von Süßstoffen wird in der Fachwelt kontrovers beurteilt. Einerseits sieht man in den fehlenden Kalorien günstige Effekte, was Übergewicht betrifft, andererseits scheint es, dass durch die Wahrnehmung von Süßem, Hunger provoziert wird. Insulin wird ausgeschüttet, die eingesparten Kalorien werden dann nachgeholt. Für beide Meinungen gibt es beweisende Studien.

Die Hersteller von Süßstoffen verkaufen ein und dieselbe Substanz sowohl als Schlankmacher für den Menschen als auch als Mastmittel in der Viehzucht. Fest steht, dass in der EU zugelassene Süßstoffe in manchen Ländern vom Markt genommen wurden: Acesulfam in Indien wegen seiner krebserregenden Wirkung, Aspartam in Japan. Ob der pflanzliche Süßstoff Stevia besser abschneidet, bleibt abzuwarten, jedenfalls scheint er Einfluss auf den Elektrolythaushalt und den Blutdruck zu haben. Von den Süßstoffen (Zuckerersatzstoffen) sind die Zuckeralkohole (Zuckeraustauschstoffe) zu unterscheiden. Am häufigsten werden Sorbit und Xylit verwendet, etwa in Zuckerln, Kaugummis, Getränken und "Diätprodukten". Zuckeralkohole enthalten Kalorien und verursachen bei 80 Prozent der Bevölkerung Durchfall. Was wenige wissen: Ein Sorbit-hältiger Kaugummi nach der Mahlzeit hemmt die Aufnahme des in der Mahlzeit eingenommenen Fruchtzuckers, sodass, obwohl nur wenig Sorbit gegessen wurde, dies doch deutliche Auswirkungen haben kann. Nicht als E-Nummer zugelassene Zuckeralkohole werden auch als Frostschutzmittel verwendet und spielten vor einigen Jahren beim "Weinskandal" eine Rolle.

Insgesamt ist die Gesetzgebung zum Schutz des Konsumenten aus Sicht des Mediziners als zu großzügig anzusehen. Süßstoff ist ein Markt. Ob hier die EU oder die Länder, in denen viele dieser Substanzen verboten sind, recht haben, sei dahingestellt. Es soll schon den einen oder anderen EU-Politiker gegeben haben, der seine Lobbying-Dienste für bares Geld angeboten hat. (DER STANDARD Printausgabe, 18.04.2011)