Sind die Beschlüsse der EU vom 24. März zu begrüßen? Rechnet man Griechenlands Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro auf die Einwohnerzahl herunter, so ergibt dies eine Pro-Kopf-Verschuldung von ca. 26.600 Euro. Berücksichtigt man, dass Griechenland nicht mehr in der Lage ist, diese Schulden zu bezahlen, so würde man dies im Privatleben als Konkurs bezeichnen.

Welche Optionen bleiben nun für Griechenland, welche für die EU? Griechenland könnte den Euro verlassen und seine alten Euroschulden in einer dann abgewerteten neuen Drachme über viele Jahrzehnte abzustottern versuchen. Als Konsequenz müssten deutsche Banken Forderungen an Griechenland von bis zu 37 Milliarden Euro wertberichtigen, französische sogar das Doppelte. Dies wäre wohl noch zu verkraften.

Vor der eigenen Haustüre kehren

Doch auch im Bund sind einzelne Länder hoch verschuldet, jeder Berliner oder Bremer trägt ca. 20.000 Euro an Landesschulden und ca. 20.000 Euro an Bundesschulden, insgesamt also wesentlich mehr als jeder Grieche. Niemand verlangt aber den Austritt Bremens oder Berlins aus dem Euro und dort die Wiedereinführung der Reichsmark.

Bisher hat die politische Klasse den Erwerb von Staatsanleihen der EU-Mitglieder für Banken als risikofrei erklärt und verlangt keine Unterlegung mit Risikokapital, weil sie nicht bereit ist, ihr Schuldenmachen als riskant einzustufen. Dabei muss zugegeben werden, dass die Trennung vertretbarer Schulden für sinnvolle Investitionen - bei denen dies Verfahren richtig ist - von unvertretbarer Finanzierung vorhandener Haushaltslöcher sehr schwierig ist.

Auf dem Gipfel am 24. März in Brüssel stand die EU vor der Wahl: Sie konnte entweder politischen Willen demonstrieren und weiterhin im globalen Wettstreit als größere Einheit auftreten, dafür aber eine vermutlich uneinbringliche Forderung im Rahmen der Stützungsprogramme (ESM) übernehmen. Oder aber Griechenland erklärt den Austritt aus dem Euro und damit den offenen Konkurs. Ein impliziter politischer Zweifel am Willen zur europäischen Einigung. In ihren Entschlüssen haben die EU-Minister den ersten Weg gewählt. Und damit auch "Schlussfolgerungen" vermieden, die wir alle nicht übersehen können.

Wenn sich alle Parlamente der Eurozone diese Lektion ("Schuldenabbau und dann wirtschaften im Rahmen von Haushaltsüberschüssen") hinter die Ohren schreiben würden, dann wäre das begrüßenswert. Unter dieser Bedingung hielte ich die Entscheidung für richtig.

Theorie und Praxis

Nun stellt sich aber die Frage nach der Umsetzung. Um die Dimension dieser Beschlüsse vollkommen klar zu machen, sei als mein Maßstab die Frage angelegt: Mindert die Entscheidung die Erblast für unsere Kinder in einer nachhaltigen und zwingenden Form?
Um dies zu gewährleisen, muss ich zunächst mit der EZB fordern, dass diejenigen, die die Misere verursachen ("die Finanzminister"), nicht diejenigen sein dürfen, die erstens die Hilfsbedürftigkeit feststellen und dann Hilfen beschließen dürfen, ohne jedwede Verantwortung und Möglichkeit zur Auferlegung von Pflichten zu haben. Dies gilt sowohl im eigenen Haus als auch beim Bittsteller. Der von der EZB geforderte weitestgehende Automatismus bei der Verhängung von Sanktionen ist durch die Beschlüsse nicht erreicht worden.

Darüber hinaus kann der Stabilitätsmechanismus Reformen erst vorschreiben, wenn es zu spät ist, d.h. wenn ein Staat Finanzhilfe beantragen muss. Der ESM taugt somit nicht zur Lösung der bereits heute vorhandenen realwirtschaftlichen Probleme. In der Durchführung liegt noch Raum für erhebliche Verbesserungen. (derStandard.at, 15.4.2011)