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Die NATO-Außenminister trafen sich am Donnerstag in Berlin. Sie sind sich einig, dass die Luftschläge gegen Libyen solange weitergehen sollen, bis Gaddafi geht.

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London - Die NATO erwägt die Schaffung eines Korridors im Mittelmeer, um den Aufständischen in Libyen den Ölhandel zu erleichtern. Unter dem Schutz von Marineschiffen sollen auch Hilfsgüter das umkämpfte Land leichter erreichen. Aus Schifffahrtkreisen hieß es am Freitag, es gebe Planungen für einen sicheren Zugang über den Seeweg. Dem britischen Außenminister William Hague zufolge handelt es sich aber lediglich um Eventualitätsplanungen, die innerhalb der NATO und der Europäischen Union erwogen würden. Hilfslieferungen ohne den Einsatz des Militärs seien erste Wahl. Sollten die Vereinten Nationen jedoch den Marine-Einsatz empfehlen, könnte der Korridor errichtet werden.

Der Krieg in dem nordafrikanischen Land hat den Seehandel fast vollständig zum Erliegen gebracht. Die Rebellen sind aber dringend auf die Einnahmen aus dem Öl-Geschäft angewiesen. Hilfsorganisation fordern Schifffahrtsunternehmen zudem auf, ihre Fahrten aufzunehmen, um Hilfsgüter in die Rebellen-Häfen wie Benghazi zu bringen.

Luftangriffe auf Sirte

NATO-Kampfflugzeuge haben am Freitag staatlichen Medien zufolge die Heimatstadt des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi bombardiert. Welche Ziele in der 360 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt Sirte angegriffen wurden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Jana nicht. Auch die Stadt Asisiyeh südlich von Tripolis war laut Jana Ziel von Luftangriffen der NATO. Das libysche Staatsfernsehen berichtete unter Berufung auf Armeekreise, Asisiyeh sei auch am Donnerstagabend von Kampfjets bombardiert worden.

Die NATO hatte bei ihrem Außenministertreffen am Donnerstag un Freitag in Berlin erklärt, sie werde ihre Einsätze in Libyen fortsetzen, solange dort Zivilisten von Gaddafis Truppen angegriffen werden. Außerdem forderte die Militärallianz Gaddafis Rücktritt.

Russlands Außenminister Lawrow: NATO soll sich an UN-Mandat halten

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Kritik seines Landes an dem Militäreinsatz der NATO in Libyen erneuert. Die Allianz überschreite mit ihrem Einsatz in dem nordafrikanischen Land das Mandat des UNO-Sicherheitsrats, sagte Lawrow am Freitag in Berlin nach einem Teffen mit den NATO-Außenministern. Es sei notwendig, so schnell wie möglich eine politische Entwicklung zur Lösung des Konflikts einzuleiten. Lawrow forderte einen sofortigen Waffenstillstand und einen Dialog zwischen den Konfliktparteien in Libyen.

Auch den gemeinsamen Appell Frankreichs, Großbritanniens und der USA für eine Ablösung von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi kritisierte Lawrow. Dieser sei durch die Resolution der Vereinten Nationen nicht gedeckt. "Der UN-Sicherheitsrat hat keinerlei Handlungen zum Zweck der Veränderung des Regimes in Libyen erlaubt."

"Ich habe unsere Partner in der NATO aufgefordert, sich strikt und verantwortungsvoll an das Mandat des UNO-Sicherheitsrates zu halten", so Lawrow weiter. Der Sicherheitsrat werde darüber entscheiden, ob das Mandat richtig umgesetzt worden sei. Lawrow sagte auch, er habe "gehört", dass "einige Parteien bereits Waffen nach Libyen liefern". Davor könne er nur warnen: "Das ist eine Verletzung der Resolution des Sicherheitsrates."

Gemeinsamer Zeitungsartikel von Obama, Sarkozy und Cameron

Die USA, Großbritannien und Frankreich wollen im Libyen-Konflikt nicht lockerlassen, ehe Machthaber Muammar al-Gaddafi die Führung abgegeben hat. Das machten die Präsidenten Barack Obama und Nicolas Sarkozy sowie der britische Premierminister David Cameron in einem gemeinsam verfassten Zeitungsbeitrag deutlich, den die britische "Times", der französische "Le Figaro" und die "International Herald Tribune" in ihrer Freitagsausgabe drucken.

Würde Libyen seinem Schicksal überlassen, bestehe das Risiko, dass das Land zu einem "gescheiterten Staat" werde. "Solange Gaddafi an der Macht ist, müssen die NATO und ihre Koalitionspartner ihre Operationen weiterführen, so dass Zivilisten geschützt bleiben und Druck auf das Regime aufgebaut wird", heißt es in dem Artikel weiter.

Die Welt würde sich eines "skrupellosen Verrats" schuldig machen, würde Gaddafi an der Macht bleiben, schreiben die drei Spitzenpolitiker in ihrem Beitrag. Auch eine Waffenruhe mit einem Ausstiegsszenario für Gaddafi, das Familienmitglieder in Libyen an der Macht belasse, sei nicht akzeptabel. "Es ist undenkbar, dass jemand, der sein eigenes Volks massakrieren wollte, eine Rolle in einer künftigen Regierung spielt", schreiben Obama, Sarkozy und Cameron.

Villepin warnt

Der französische Ex-Premier Dominique de Villepin (UMP) warnte jedoch davor, Gaddafi abzusetzen. "Achtung, die Resolution 1973 gibt uns heute nicht das Mandat, das Regime in Libyen zu ändern. Die Regierung von (US-Präsident George W.) Bush hat genau diesen Fehler im Irak begangen", sagte de Villepin, der sich 2003 als Außenminister vehement gegen einen bewaffneten Einsatz im Irak stark gemacht hatte, dem Radisoender RTL am Freitag.

Französischer Verteidigungsminister: Überschreitung des UN-Mandates

Im Libyen-Konflikt gehen Frankreich, Großbritannien und die USA nach Einschätzung der Regierung in Paris längst über die von der UNO festgelegten Ziele hinaus. Die Forderung der drei Staaten nach einem Rücktritt des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi überschreitet nach Ansicht des französischen Verteidigungsministers Gerard Longuet das UNO-Mandat. Im französischen TV-Sender LCI kritisierte er am Freitag diese unter anderem von seinem eigenen Präsidenten Nicolas Sarkozy gestützte Forderung. "Es geht sicherlich weiter als die (Libyen-) Resolution 1973, die sagte nichts über Gaddafis Zukunft." Die Resolution hatte eine Militär-Intervention zum Schutz der Bevölkerung genehmigt.

Kein großes Land könne es aber hinnehmen, "dass ein Staatschef seine Probleme löst, indem er auf seine Bevölkerung schießt", sagte Longuet weiter. Deshalb sei Frankreich sich mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten darüber einig, dass Gaddafi "nicht Libyens Zukunft ist".

Auch wenn Länder wie China und Russland - die beiden übrigen der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates - nichts unternehmen wollten, sei das Ziel für Paris, London und Washington klar, sagte der Minister: "Die Menschen in Tripolis dazu zu bringen, Gaddafi zu verlassen." Wenn drei mächtige Länder das Gleiche sagten, sei dies wichtig für die Vereinten Nationen. Vielleicht werde der Sicherheitsrat daher eines Tages eine entsprechende Entschließung verabschieden, sagte der Verteidigungsminister.

Berlusconi: "Wir können nicht bombardieren"

Italien wird mit seinen Kampffliegern nicht an Militäraktionen in Libyen teilnehmen, die Bombardierungen vorsehen. Dies berichtete der italienische Premier Silvio Berlusconi am Freitag. Im Gespräch mit Journalisten erklärte Berlusconi, Italien spiele bereits eine beträchtliche Rolle im Rahmen der Mission. "Libyen war eine italienische Kolonie, wir können nicht bombardieren", berichtete Berlusconi nach Angaben italienischer Medien.

Italien werde weiterhin der in Libyen engagierten Koalition seine Stützpunkte zur Verfügung stellen. "Angesichts unserer geografischen Lage und unserer Vergangenheit als Kolonialmacht, können wir nicht mehr tun. Diese Position haben unsere Alliierten jedenfalls zur Kenntnis genommen", kommentierte Berlusconi.

Gemeinsame Beratungen von EU und NATO

Die Mitglieder von NATO und die EU werden erstmals gemeinsam an einem Tisch beraten - und zwar über die Krise in Libyen. Dies wurde am Freitag in Berlin von den NATO-Außenministern beschlossen, sagten Diplomaten. Einem NATO-Diplomaten zufolge soll das Treffen der Botschafter der 28 NATO-Staaten und der 27 EU-Staaten in "den kommenden Wochen" in Brüssel stattfinden.

Bei den Gesprächen könnte es um den militärischen Schutz humanitärer Hilfe in Libyen sowie um mehr politischen Druck auf das Regime von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi gehen. Während die NATO Luftangriffe gegen Gaddafis Truppen fliegt, ist die EU bereit, auf Anfrage der Vereinten Nationen humanitäre Hilfe mit einem EU-Militäreinsatz abzusichern. Bisher liegt eine solche Anfrage nicht vor.

Die Vereinbarung zum Treffen wurde möglich, weil die Türkei den bisherigen Widerstand gegen Beziehungen zur EU aufgab, in der auch Zypern Mitglied ist. Ankara bestand jedoch darauf, dass das Botschaftertreffen "informell" sein müsse, also keine förmlichen Entscheidungen treffen könne. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat sich mehrfach für ein Aufbrechen der Blockade zwischen beiden Organisationen ausgesprochen. (APA)