Was die italienische Tageszeitung Corriere della Sera als "düsteres Kapitel" und der Richterbund als "Niederlage des Staates im Kampf gegen die Kriminalität" wertet, ist für Silvio Berlusconi ein Triumph: Nach dreiwöchigem Tauziehen im Parlament hat der Ministerpräsident seine Schlacht gewonnen und sich seiner Korruptionsprozesse entledigt. Die empörten Parlamentarier der Opposition mussten sich damit begnügen, demonstrativ Ausgaben der italienischen Verfassung in die Kameras zu halten.

Dass in der einzigen geheimen von fast 150 Abstimmungen sechs Abgeordnete der Opposition für den Gesetzesentwurf der Regierung stimmten, warf ein neues Schlaglicht auf den prekären Zustand von Gianfranco Finis Partei Futuro e Libertá: Aus seinen Reihen erwartet Berlusconi, der bei der Abstimmung am Mittwoch erneut die absolute Mehrheit von 316 Sitzen verfehlte, neuen Zuwachs: "In einer Woche werden wir über 330 Stimmen verfügen."

Der Wechsel ins gegnerische Lager soll mit einflussreichen Posten honoriert werden, etwa mit acht Staatssekretären für die Überläufer aus dem Fini-Lager.

Die Südtiroler Volkspartei habe versprochen, sich in Zukunft der Stimme zu enthalten, versicherte Berlusconi. Bisher pokerten die zwei SVP-Abgeordneten meistens und ließen sich ihr Stimmverhalten von Regierung oder Opposition mitunter sehr teuer erkaufen.

In einem nächsten Schritt muss das Gesetz zur Verkürzung der Verjährungsfristen noch vom Senat genehmigt werden - angesichts der Mehrheitsverhältnisse in dieser Parlamentskammer eine reine Formalität.

Dann ist der Cavaliere im Kampf gegen die "roten Staatsfeinde in Richterroben" am Ziel seiner Wünsche. Die Verjährung im riskanten Korruptionsprozess um den britischen Anwalt David Mills wird dann nicht mehr am 13. Jänner 2012 fällig, sondern schon acht Monate früher.

Eine Rechtsbeugung, die auch der Bischofskonferenz missfällt: "Das Gesetz dient nicht der Justiz, sondern nur der Lösung von Berlusconis Problemen."

Beim treuen Koalitionspartner Lega Nord ist das bereits 38. Sondergesetz für Berlusconi ebenso unpopulär wie dessen "Bunga-Bunga"-Affäre: Während Italiens Zeitungen der Abstimmung im Parlament am Donnerstag die ersten Seiten widmeten, rückte das Lega-Blatt La Padania einen Boykottaufruf für französische Produkte auf die Titelseite.

Nachdenken über Nachfolger

Für lebhafte Diskussionen sorgt indes das laute Nachdenken Berlusconis, er könne sich Justizminister Angelino Alfano gut als seinen Nachfolger vorstellen. Er denke darüber nach, bei den Wahlen in zwei Jahren nur noch als Parteichef zu fungieren. Das Amt des Staatspräsidenten interessiere ihn nicht, dafür sei seine "rechte Hand" Gianni Letta geeigneter.

Diese Überlegungen enttäuschten nicht nur zehntausende Berlusconi-Fans, sondern auch die Lega Nord. Vor allem Parteichef Umberto Bossi sieht in Berlusconi auch in Zukunft ein Zugpferd. (Gerhard Mumelter aus Rom, STANDARD-Printausgabe, 15.04.2011)