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Rebellensohn Mohammed (10) bewacht die westliche Zufahrtsstraße von Ajdabiyah. Angesichts der Schwäche der Aufständischen drängen Paris und London auf größeren militärischen Druck.

Foto: REUTERS/Yannis Behrakis

Das Militärbündnis unter Führung der NATO hat nach libyschen Angaben am Donnerstag Ziele in der Hauptstadt Tripolis und in Sirte bombardiert. Augenzeugen in Sirte, der Heimatstadt von Machthaber Muammar al-Gaddafi, sagten, der Angriffe hätten vermutlich einem militärischen Ziel gegolten. Die heftigen Explosionen hätten dazu geführt, dass in zahlreichen Wohnhäusern die Fensterscheiben geborsten seien. Das libysche Staatsfernsehen hatte zuvor von Angriffen auf mehrere Ziele in Tripolis berichtet.

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Berlin - Der Chor der Nato in der Libyen-Frage ist vielstimmig, doch am Donnerstag, dem ersten Tag der Frühjahrskonferenz in Berlin, zeichnete sich ein gemeinsamer Nenner ab. Die Außenminister der 28 Nato-Staaten fordern den libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi auf, seine Soldaten wieder in die Kasernen zurückzubeordern. Aus Diplomatenkreisen hieß es, dies sei unerlässlich, um einen wirklichen und kontrollierten Waffenstillstand zwischen der Regierung und den Rebellen zu vereinbaren.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verteidigte das Vorgehen des Bündnisses - auch gegen Forderungen aus Großbritannien und Frankreich, die zuletzt erklärt hatten, es müsse mehr Druck geben. Die Nato, so Rasmussen, "behalte ein hohes Einsatztempo bei" und passe ihre Aktionen täglich den sich rasch ändernden Bedingungen vor Ort an: "Wir haben gehandelt, um die Bevölkerung zu schützen, um ihr Recht auf Freiheit zu wahren und um Libyen daran zu hindern, zu einem gescheiterten Staat zu werden." Die Nato werde den Druck so lange ausüben, bis Gaddafi die Angriffe auf Zivilisten einstelle und seine Soldaten in die Kasernen zurückbeordere.

Einig sind sich die Konferenzteilnehmer auch, dass man sich in Libyen auf einen langen Konflikt mit Gaddafi einstellen müsse und es auch einen "politischen Prozess" geben müsse. "Es gibt keine militärische Lösung, es kann nur eine politische Lösung in Libyen geben", betonte der französische Außenminister Alain Juppé. Wir können nicht unendlich so weitermachen."

Gastgeber Deutschland ist bei der Tagung eigentlich eher Zaungast. Denn die Deutschen beteiligen sich nicht an der Nato-Mission in Libyen, und der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) skizzierte die Differenzen mit den Nato-Partnern so: "Im Kern gibt es einen einzigen Unterschied, das ist die Frage eines Weges zu einem gemeinsamen Ziel."

Doch sowohl US-Außenministerin Hillary Clinton als auch Juppé bemühten sich, die Differenzen zu überspielen. "Das Vertrauen ist nicht zerstört. Wenn Guido Westerwelle der Meinung wäre, dass Muammar al-Gaddafi an der Macht bleiben sollte - nur dann hätten wir ein Problem", betonte Juppé.

Und Clinton lobte Deutschland nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als "essenziellen Partner der Nato". Beide betonten, Berlin und Washington arbeiteten auf das Ende der Regierung Gaddafi hin, sie forderten ihn zum Rücktritt auf. "Das ist das Ziel, was uns eint", sagte Merkel.

Appelle des Uno-Chefs

Zeitgleich zum Treffen in Berlin berieten auch UN-Funktionäre sowie Vertreter der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der EU in Kairo über die Situation in Libyen. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte erneut einen sofortigen Waffenstillstand und rief dazu auf, einen "politischen Prozess" zu ermöglichen, "damit das libysche Volk seine Hoffnungen verwirklichen kann".

Doch ungeachtet dieser Appelle gingen die Kämpfe am Donnerstag weiter. Die Rebellen warnten, in der umkämpften Stadt Misrata drohe ein Massaker, wenn die Nato ihre Angriffe nicht ausweite. Am Donnerstag seien durch Raketen der Gaddafi-Soldaten mindestens 23 Zivilisten getötet worden, sagte ein Rebellensprecher.

Mehrere Flugzeuge griffen am Nachmittag die Hauptstadt Tripolis an. Darauf sei eine schwere Explosion im Bereich der Residenz von Machthaber Muammar al-Gaddafi in Bab al-Azizia zu hören gewesen, berichteten Journalisten vor Ort. (bau, Reuters, AP, STANDARD-Printausgabe, 15.04.2011)