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Der Reader erschien vergangene Woche bei Open Source Press.

Cover: Freie Netze. Freies Wissen.

"In Linz beginnt's", soll Helmut Qualtinger gesagt haben, längst kennt die Losung jedes Kind in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. "Linz verändert" lautet der offizielle Slogan. Die Innovation und der Wandel, auf den sie beide hinweisen, lässt sich tatsächlich an verschiedenen Projekten und Einrichtungen der Stahlstadt beobachten. Das mittlerweile weit über die Grenzen Österreichs bekannte Ars Electronica Center ist nur eines davon. Das Stadtentwicklungskonzept "Future Linz" ein weiteres. Eine andere Initiative trägt den Namen "Freie Netze. Freies Wissen." und geht auf die Bemühungen der drei Linzer Christian Forsterleitner, Leonhard Dobusch und Manu Hiesmair zurück.

Der gleichnamige Verein gab dieser Tage den Reader "Freiheit vor Ort" heraus. Er trägt den Untertitel "Handbuch kommunale Netzpolitik" und hält in acht Kapiteln ein Plädoyer für das Motto "Global denken, lokal handeln" – in Form von Vorschlägen zur Nutzung eines offenen und freien Internets auf Gemeindeebene. Schon das erste Kapitel beschäftigt sich mit der brisanten These der digitalen Kluft, also all jenen "Barrieren, die bestimmte Bevölkerungsgruppen bei der Internetnutzung behindern" und diese Gruppen somit von "bestimmten gesellschaftlich relevanten Ressourcen und Partizipationsmöglichkeiten" abschneiden.

Die Überschrift eines anderen Kapitels lautet "Open Government als kommunale Herausforderung und Chance". Darin wird auf Datentransparenz der Stadtregierung und die verbesserungswürdige Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung eingegangen. Wieder andere beschäftigen sich mit dem noch mangelnden Einsatz von Open-Source-Software in Schulen, neuen Formen wissenschaftlichen Publizierens oder mit Blogs als digitale Ausformungen des öffentlichen Raums.

Alle sollen mitmachen

Nicht zuletzt behandelt die Publikation auch Fragen der Lizenz- und Rechteverwertung kreativer Leistungen. Besonders lesenswert sind hier die Interviews mit Fachleuten wie Richard M. Stallman, dem Gründer des GNU-Projekts, oder Larry Lessig, dem Initiator der Creative Commons-Gesellschaft (CC). Wie deren Lizenzen in der Praxis eingesetzt werden können, zeigten die Herausgeber, indem sie den Reader unter der CC-Lizenz BY-SA 2.0 veröffentlichten.

Die Herausgeber und Autoren thematisieren solche Fragestellungen aber nicht, ohne auch konkrete Lösungsvorschläge anzubieten: Jedem Kapitel sind drei Projekte angefügt, die 2009 – als Linz Europäische Kulturhauptstadt war – vorgestellt wurden und Titel wie "Laptops für Linz", "Freie Software für Linz" oder "Freies Netz für alle LinzerInnen" tragen. Damals wurden Projektgruppen, die sich zum Teil aus offiziellen Gemeindevertretern, Experten und engagierten Freiwilligen zusammensetzen, aufgerufen, an der Realisierung mitzuwirken.

derStandard.at: Sind Sie zwei Jahre später mit der Umsetzung der Projekte zufrieden?

Forsterleitner: Wir sind eigentlich ganz zufrieden, was in diesen Jahren gelungen ist: Rund zehn Projekte sind in Umsetzung oder realisiert. Mit dem Public Space Server, der Förderung freier Lizenzen in der Kulturpolitik, der WLAN-Straßenbahn und der Open Commons Region konnten wir auch echte Neuerungen für Linz schaffen. Aber es gibt noch viel zu tun. Gerade die Open Commons Region ist erst in der Startphase, die eigentliche Schwerarbeit kommt erst.

derStandard.at: Die Projekte sind auf Linz zugeschnitten. Ist Linz für eine solche Plattform besonders geeignet – etwa weil Nachholbedarf besteht?

Forsterleitner: Wir haben uns gedacht, wir müssen dort anfangen unsere Ideen einzubringen, wo wir leben. Und das ist Linz. Hier kennen wir die Situation und viele AkteurInnen, hier können wir am meisten für die Sache erreichen. Und außerdem hat uns auch – ganz im Sinne der Idee – das beinflusst, was schon da war: Das Ars Electronica Festival, die KünstlerInnen der freien Szene, der in Linz stark verwurzelte Grundversorgungsgedanke etc.

derStandard.at: Diese Ideen können und sollen von der Öffentlichkeit dynamisch weiterentwickelt werden. Im Vorwort schreiben Sie auch, Remix sei die Kulturtechnik des digitalen Zeitalters schlechthin. Wo endet der Remix und wo beginnt das Plagiat?

Forsterleitner: Korrektes Zitieren ist auch im Zeitalter der Remixes das um und auf. Deshalb fordert beispielsweise auch Creative Commons in seinen alternativen Urheberrechtslizenzen in jedem Fall die Namensnennung. Es ist aber gerade für KünstlerInnen oft schwierig, alle Quellen korrekt zu benennen. Während das bei Texten leicht mit einer Fußnote erledigt ist, ist das bei Musik schon viel schwieriger. Aber auch wenn die Grenze in manchen Bereichen fließend sein mag – die Dissertation Guttenbergs ist sicher kein Remix …

derStandard.at: Woher kommt Ihr grundsätzliches Interesse für das Thema "Freies Internet"?

Forsterleitner: Allen in unserem Autorenteam sind Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung wichtig. Wir wollen Menschen ermächtigen, Ihnen Werkzeuge und Möglichkeiten zur Verfügung stellen, damit sie selbst entscheiden und kreativ werden können. Wir haben entdeckt, dass sich dieser Ansatz mit den neuen Technologien verbinden lässt. Und wir wollten nicht nur disktutieren, sondern auch aktiv werden. So haben wir das Projekt "Freie Netze. Freies Wissen." ins Leben gerufen. (Michael Matzenberger, derStandard.at 06.05.2011)