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In Libyen vertrauen die Aufständischen ebenfalls auf die Verlässlichkeit der Pick-Up-Trucks. Nicht zuletzt die großvolumigen Dieselmotoren gelten als unkaputtbar.

Foto: REUTERS/Yannis Behrakis

David Kilcullen stand vor einem Rätsel. Vor etwa fünf Jahren, der Berater der US-Armee und Spezialist für die Niederschlagung von Aufstandsbewegungen aller Art war gerade in Afghanistan zugange, fielen dem Militärexperten erstmals die seltsamen Tätowierungen auf, die viele der Talibankämpfer trugen. Weder Verse aus dem Koran noch politische Parolen waren da zu sehen - sondern das kanadische Hoheitszeichen, das Maple Leaf. Warum bloß, fragte sich Kilcullen, ließen sich diese Männer ausgerechnet die Flagge Kanadas in die Haut stechen?

Der Amerikaner begann der Sache nachzugehen - und fand eine erstaunliche Antwort: Das Tattoo symbolisierte Respekt. Respekt vor einem Partner, dem die Gotteskrieger ein ähnliches Vertrauen entgegen brachten, wie Allah oder ihrer Kalaschnikow. Der Name des Kompagnons: Toyota Hi-Lux. Der stand und steht traditionell ganz oben auf der Shopping-Liste der Taliban. Ein Umstand, den findige Geschäftemacher nach Ausbruch des aktuellen Afghanisten-Krieges nutzten, um den Gotteskriegern marode Billig-Trucks als Toyotas zu verhökern - das fand zumindest David Kilcullon bei seinen Tattoo-Recherchen heraus. 

Falsche Toyotas für die Taliban

Für die Widerständler wurde der labile Fuhrpark offenbar ein ernsthaftes Problem. Reihum streckten die Pseudo-Toyotas die Räder. Erst eine frische Original-Hilux-Lieferung, abgezweigt aus einer Lieferung an die kanadische Regierung, beendete das Reparatur-Chaos. Die neuen, gewohnt verlässlichen Geräte aus der Schmuggel-Charge trugen alle kleine Maple Leafs am Heck. Ein Symbol für ewiges Leben, quasi. Wohl wert, als Signum eintätowiert zu werden.

Hi-Lux. Ein Offroad-Modell, das sinnbildlich für die Gattung unverwüstlicher, preisgünstiger, universell einsetzbarer Pickup-Trucks steht. Vor allem japanische Hersteller sind in dieser Sache in den globalen Krisenregionen zugange. Mitsubishi, Nissan, Isuzu - und vor allem das unverrottbare Duo aus dem Hause Toyota: Der praktisch-puritanische Hi-Lux und die fahrbare Monumentalfestung Land Cruiser. Gleich, wo Rebellen, Aufständische, Freiheitskämpfer, Bürgerkrieger und Renegaten auf diesem Globus gegen eine Militärmacht auffahren - schon sind die Pritschenwagen zur Stelle. Die Kriegsmaschine für den kleinen Mann. Der Universal-Fighter für den asymmetrischen Krieg. Der Blech gewordene Aufstand.

Prinzip Starrachse

Ein Nimbus, der 1951 mit der Entwicklung des Toyota BJ begründet wurde. Der war nichts weniger als ein Jeep-Lookalike, der sich  im Laufe der Zeit - und mit dem Namen Land Cruiser - optisch immer stärker zivilisierte. In den folgenden Jahren in unzähligen Varianten gebaut, gehorchte der Alleskönner einem simplen technischen Prinzip: Starrachsen, Leiterrahmen, unverwüstlicher Diesel-Motor, fertig. Ein Rezept, das sich dank kleiner Preise vor allem in Südamerika, Afrika und Asien blendend verkaufte.

Nicht zuletzt der zwischen 1960 und 1984 gebaute Land Cruiser 40 entwickelte sich zum Bestseller. 6,1 Millionen verkaufte Exemplare weisen den Japaner als meistverkauften Geländewagen der Welt aus. Einen Titel, der nicht zuletzt dem ab 1984 abgesetzten Land Cruiser 70 zu verdanken ist. Damals begann sich die Land Cruiser-Linie aufzusplitten: in den bärbeißigen 70 und jene, allmählich mit Technik und Luxus vollgestopfte Edel-Linie, die auch in Europa bekannt ist.

Star der Krisenberichterstattung

Bereits 1968 bekam der Land Cruiser einen einfacheren Bruder zur Seite gestellt, der ausschließlich als Pick-Up verkauft wurde: den Toyota Hi-Lux. Technisch war der ähnlich simpel, erst 1979 gab‘s alternativ einen Vierradantrieb. Ein Offert, das sich bis heute unfassbare 12 Millionen Mal verkaufte.

Beeindruckende Zahlen, die vor allem in der Robustheit der Modelle geschuldet sind. Beim Preis gaben es die Japaner vor allem billig. Im Vergleich zu den Versionen für den europäischen oder amerikanischen Markt waren die nochmals technisch abgerüsteten Pickups etwa um ein Drittel günstiger. Den Aufstieg zum fragwürdigen Star in der Kriegs- und Krisenberichterstattung kann das jedoch nur bedingt erklären. Viel eher lag der Erfolg an der Vertriebskunst der Japaner, die früh und konsequent an sich wenig lukrative Märkte in Afrika oder Asien bedienten.

Hightech? Fehlanzeige

Zwar war der englische Offroad-Vorreiter Land Rover früher vor Ort, aber die Ernte fuhren die Asiaten ein. So gelang es den Japanern die Konkurrenz früh zu verdrängen - Land Rover etwa blieb sogar in der ehemaligen englischen Kronkolonie Indien eine Randerscheinung - und ihre Position mit unzähligen Niederlassungen auszubauen. Heute ist selbst in den entlegensten Regionen die Versorgung mit Ersatzteilen gesichert, die Reparatur der simpel aufgebauten Geräte lässt sich mit etwas Gefühl im Umgang mit dem Schmiedehammer an jeder Ecke bewerkstelligen.

Erst 1999 spendierte man dem Land Cruiser eine kleine Hightech-Revolution: Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen an der Vorderachse. Bei den Motoren setzte man konsequent auf robuste Aggregate, die auch bei miserablen Spritqualitäten nicht schlapp machten.

Bewährungsprobe im Toyota-Krieg

Ein Angebot, das 1987 dem Tschad im Krieg gegen Libyen einen Triumph bescherte. Jahrelang hatten die Truppen des Tschad versucht, die libyschen Eindringlinge zurück hinter die Grenze zu werfen, den Erfolg sollten schließlich eine Morgengabe aus Frankreich, 400 Toyota Land Cruiser, bringen. Die Pickups waren mit Milan-Panzerabwehrraketen ausgerüstet und zu schnellen, beweglichen Einheiten zusammen gefasst. Wie die Hornissen fielen die aufgerüsteten Pritschenwagen über die libyschen Garnisonen her und zerstörten 800 Kampf- und Schützenpanzer. Ein Militärschlag, der als Toyota-Krieg in die Geschichtsbücher Eingang finden sollte.

Die unkomplizierte Verwandlung in einen mobilen Artilleriestand ist zweifelsohne eine Kernkompetenz der Geräte. Gern werden die Fahrerkabinen abgeflext, um für Raketenwerfer oder Flugabwehrkanonen ein optimales Schussfeld zu gewährleisten. Auf der Ladefläche finden im Extremfall ein Dutzend Kombattanten Platz. Die Bedienung der Fahrzeuge ist simpel, die Reparatur einfach, Ersatzteile warten im Kampfgebiet in jedem Straßengraben.

Fahrbare Kleinartillerie

Individuell aufgerüstet werden die Pick-Ups so zu einer echten Bedrohung für reguläre, besser ausgestattete Truppen. Eine Universal-Waffe, die im Militär-Jargon "Technicals" gerufen werden. Eine Bezeichnung, die sich die Pick-Ups im somalischen Bürgerkrieg erworben haben. Die Mitarbeiter der Vereinten Nationen durften damals keine Fahrzeuge einführen. Um jedoch vor Ort einige Wagen anzumieten stattete die UN ihre Mitarbeiter mit "Technical Assistant Grants", also einem Budget für die lokale Beschaffung von Fahrzeugen aus. Als die Helfer jedoch abrücken mussten, griffen die somalischen Streitparteien dankbar zu und rüsteten die zivilen Pick-Ups per Maschinengewehr zur fahrbaren Kleinartillerie um.

Die Beliebtheit bei diversen Warlords, Terroristen und Usurpatoren beschert Toyota regelmäßig veritable Image-Desaster. Besonders negativ fiel das Produkt Land Cruiser in den Monaten nach dem 11. September 2001 in Afghanistan auf. Da zeigten sich die Al-Kaida-Führer Muhammed Atef und Ayman al Zawahiri, beide gesuchte Staatsfeinde der USA, auf Al Jazeera gemeinsam mit ihrem Toyota-Fuhrpark. Hatten die geschäftstüchtigen Japaner sogar an Superterroristen ihre Ware verkauft? Eilig dementierte Toyota, und betonte, die Land Cruiser seien auf illegalen Wegen nach Afghanistan gelangt.

Beliebter "Toyota Taliban"

Eher originell waren in jenen Tagen die Rechtfertigungsversuche eines US-amerikanischen Toyota-Sprechers: "Es handelt sich sicher nicht um ein ideales Product Placement", räumte der Mann ein. "Aber es zeigt zumindest, dass die Taliban auf die gleichen Qualitäten wie jeder andere Pickup-Käufer achten: Haltbarkeit und Verlässlichkeit."

Beides fand nach dem Einmarsch der USA samt Alliierten auch auf offiziellen Kanälen seinen Weg nach Afghanistan. Toyota gründete in Kabul eine große Niederlassung. Inoffiziell haben die Japaner im Land mittlwerweile einen rekordverdächtigen Marktanteil von 90 Prozent. Zwar geht der Großteil der Flotte auf grauimportierte, abgerippte Corollas, aber auch der Land Cruiser erfreut sich anhaltender Popularität. Wohl auch deshalb wird der Wagen am Hindukusch "Toyota Taliban" gerufen.
Dennoch sind die japanischen Pick-Up-Trucks nicht ausschließlich Vertreter der Achsen des Bösen.

Nicht nur böse

Mitunter stehen sie auch auf der Seite der Guten: In Libyen etwa gehören sie zum Grundinventar der Aufständischen gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Und auch in Côte d'Ivoire haben sie mitgeholfen, einen Präsidenten-Diktator niederzuringen. Wie die Zukunft des Landes aussieht, ist noch ungewiss. Gewiss ist nur eines: Für den Wiederaufbau sind die robusten Motormulis mindestens genau so brauchbar. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 18.4.2011)

 

Ansichtssache: Pick-Up und Kalaschnikow - Pritschenwagen im globalen Einsatz