Bild nicht mehr verfügbar.

Josef Pröll: "Ich habe mich nicht gegen die Politik entschieden, aber für meine Gesundheit und meine Familie."

APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT

Ein Hausmeister montiert das Logo des Finanzministeriums an die Wand, das Rednerpult steht schon. Es ist Josef Prölls letztes Setting. Rechts stehen Kaffee, Orangensaft und Mineralwasser. Zwei Mitarbeiterinnen sagen, sie seien bis heute Früh total ahnungslos gewesen. Dann hätten sie es aus dem Radio gehört: Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll tritt heute zurück, von allen Ämtern.

Im Finanzministerium hat Pröll am Mittwochvormittag seinen Rücktritt bekannt gegeben. Er hatte am 18. März einen Lungeninfarkt erlitten. Nun kommt er scheinbar aus dem Nichts, mit schnellem Schritt zum Pult, als wäre er nie krank gewesen. Die Fotografen knipsen im Millisekundentakt. Pröll sagt: "Ich freue mich, Sie alle wieder hier zu sehen." Er will nicht zeigen, dass er gerade einen der schwersten Momente durchlebt. Aber man merkt es ihm trotzdem an. Er sagt, er könne nach seiner Erkrankung den Anspruch, den er an sich selbst gestellt habe, nicht erfüllen.

Entscheidung im Kreise der Familie

Ursprünglich wollte Pröll erst nach Ostern entscheiden, wie es mit ihm politisch weitergeht. Gestern Abend hat man sich dann in der Familie des ÖVP-Obmanns darauf verständigt, dass der Vizekanzler der Gesundheit den Vorrang geben wird: "Ich habe mich nicht gegen die Politik entschieden, aber für meine Gesundheit und meine Familie", so der Vater von drei Kindern in seiner Erklärung. "Die Entscheidung war schwer, aber sie ist richtig."

Pröll befand, dass er zur Bewältigung der Herausforderungen der Politik noch mehr Kraft als vor drei Jahren bräuchte und verwies einerseits auf einen Reformstillstand, andererseits auf schwarze Schafe auch in den eigenen Reihen, womit er wohl vor allem auf den zurückgetretenen VP-Delegationsleiter Ernst Strasser anspielte, dessen Lobbyistenskandal die ÖVP in die Krise gestürzt hatte.

Lungeninfarkt ein "Warnschuss und eine Zäsur in meinem Leben"

Er habe jedenfalls "alles für die Partei gegeben", versicherte Pröll. Bei seinem beidseitigen Lungeninfarkt sei es um sehr viel gegangen, nämlich um sein Leben: "Das war ein deutlicher Warnschuss und eine Zäsur in meinem Leben."

Die Bilanz über seine Tätigkeit in der Politik fiel positiv aus. Es sei eine sehr spannende Zeit gewesen, so Pröll, der einige Punkte seiner Regierungskarriere besonders hervorhob, etwa die Agrarreform 2003 noch als Landwirtschaftsminister, die Steuerentlastung 2009 sowie die "Entscheidungen in der Bewältigung der Wirtschafts- und Eurokrise". Positiv hervorgehoben hat Pröll außerdem die von ihm geleitete Perspektivengruppe, die einen Neuerungsprozess der ÖVP in Gang setzen sollte und den Beschluss des Wählens ab 16.

Nachfolger gesucht

Übergeben will Pröll in der Volkspartei "ein geordnetes Haus". Zu erwarten ist, dass die ÖVP schon morgen in einer Vorstandssitzung versuchen wird, die Nachfolge an der Parteispitze zu regeln. Eine Variante ist der vor allem aus Niederösterreich und dem ÖAAB unterstützte Michael Spindelegger. Der zweite mögliche Kandidat, der von Wirtschaftskammer und Oberösterreich forcierte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner könnte zum Finanzminister aufsteigen, sollte er nicht Parteichef werden. Ebenfalls noch gewisse Chancen werden Innenministerin Maria Fekter eingeräumt, welche die erste weibliche VP-Obfrau wäre.

Was Prölls in Zukunft machen wird, blieb unklar. Gerüchten zufolge, soll er bei der Raiffeisen unterkommen. Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad dementierte via Aussendung jedoch: "Mit Respekt vor der Person von Josef Pröll, seiner persönlichen Entscheidung und seiner heutigen Erklärung halte ich fest: Es hat bis dato keinerlei Vereinbarung über einen Eintritt oder eine Beschäftigung von Josef Pröll bei Raiffeisen gegeben."

SPÖ will Koalition weiterführen

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigte sich überzeugt, dass die Regierungsarbeit auch nach dem gesundheitsbedingten Rückzug von Pröll fortgesetzt werden kann. Er sei überzeugt, dass der Koalitionspartner die Weichen so stellen werde, dass man genauso stabil und entscheidungsfreudig die Tätigkeit in der Koalition fortführen werde, so der Kanzler am Mittwoch im Bundeskanzleramt bei einer kurzfristig einberaumten Pressekonferenz.

Wer die ÖVP-Obmannschaft von Pröll übernehmen könnte, wollte der SPÖ-Chef nicht beurteilen. Als fairer Partner mische man sich in solche Angelegenheiten bei einer anderen Partei nicht ein. Klargestellt wurde von Faymann aber, dass er im Zuge der anstehenden Regierungsumbildung selbst keinen Wechsel vornehmen will: "Mein Regierungsteam bleibt gleich."

"Besonders gute Zusammenarbeit"

Die Arbeit Prölls in der Regierung würdigte Faymann. Er betonte die "besonders gute Zusammenarbeit" mit dem ÖVP-Obmann. Auch in Zeiten, als es angesichts schwieriger Rahmenbedingungen zu Entscheidungen kommen habe müssen, sei Pröll immer jemand gewesen, auf den man sich verlassen könne. Der Kanzler geht davon aus, dass sein "freundschaftliches Verhältnis" zu Pröll auch nach dessen politischer Tätigkeit bestehen bleibe. Nicht wirklich eingehen wollte der Kanzler auf die Kritik Prölls in seiner Abschiedsrede am herrschenden Reformstillstand. Es sei klar, dass diese Regierung ihren Weg der Reformen etwa im Bereich Bildung fortsetzen werde.

Informiert wurde Faymann über den Rückzug Prölls erst heute früh. Gestört hat ihn das nach eigenen Bekunden nicht, da es klar sei, dass der Vizekanzler nach seiner Erkrankung Zeit gebraucht habe, sich über seine Zukunft zu orientieren. 

Ämter aufteilen

In der ÖVP wurden unterdessen erste Stimmen laut, wie die Nachfolge geregelt werden solle. Mitterlehner hat die bisherige Personalunion von Vizekanzler, Finanzminister und Parteichef infrage gestellt. (Siehe Reaktionen) (rwh, naro, APA, derStandard.at, 13.4.2011)